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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Grafenbruder aus Tripolis gelesen? Ich weiß, du hast einen Brief erhalten. Dein Freund Severin hat es gesagt. Ihr habt Pläne ausgeheckt, wie du die Grafschaft übernehmen kannst. Aber mir erzählst du nichts. Ich bin Luft. Als ob es mich nichts anginge!«
    »Es tut mir leid«, stammelte ich. »Natürlich hätte ich dir davon erzählt. Wir hatten noch keine Gelegenheit.«
    Sie wandte sich wieder ab, tat so, als höre sie mich nicht. »Hast du mich etwa gefragt, ob ich deine Glorie teilen will?«, fragte sie und gab sich gleich selbst die Antwort. »Nein, gefragt hast du nicht. Du tust, was dir beliebt. Und ich sehe schon, es wird so sein wie früher«, sagte sie bitter. »Falls du also siegst, dann wirst du deine großen Ziele verfolgen und dich ins nächste Abenteuer stürzen. Uns alle hier wirst du bald vergessen haben, so wie du es schon früher getan hast. Und die Männer, die vielleicht morgen sterben, sind nichts als Stufen, auf denen du zu Höherem aufsteigst.«
    Ich war wie vom Donner gerührt, und wenn etwas aufstieg, dann war es das Blut in meine Wangen. Als sei es nicht genug, wandte Berta sich mit einem Ruck um und starrte mir ins Gesicht. Ihre grünen Augen sprühten und waren doch mit Tränen gefüllt, Tränen des Zorns.
    »Und dafür, Jaufré Montalban, oder wie du dich in Zukunft nennen wirst, dafür ist mir meine Liebe zu schade!« Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und ließ mich stehen.
    Ich rief sie nicht zurück, starrte ihr nur reglos nach, während das Blut in meinen Schläfen hämmerte, denn jetzt war ich ebenso teufelswütend.
    Ghalib neben mir tänzelte und scharrte mit den Hufen im Licht des Sonnenuntergangs. Er war ungeduldig und mit Recht. Es war Zeit, sich auf den Weg zu machen. Die Hunde liefen aufgeregt hin und her, und die Männer warteten. Alexis hielt mir den Steigbügel.
    Ich zwang mich zur Ruhe.
    »Danke, mein Junge. Ich höre, Cortesa ist schwanger.«
    Er nickte und schenkte mir ein scheues Lächeln.
    »Dann gib gut auf sie acht«, sagte ich und fuhr ihm mit der Hand durch die Locken. Rasch stieg ich in den Sattel, gab das Zeichen zum Aufbruch und ritt voran.
    Ob Berta mir nachsah, kann ich nicht sagen, denn ich wäre eher gestorben, als mich umzudrehen.
    ***
    So begannen wir unseren langen Abstieg ins Tal.
    Am Anfang mussten wir Reiter die Pferde noch zu Fuß über steile Kehren führen, dann ging es leichter. Allmählich wurde es dunkler, besonders wo die Bäume höher wuchsen. Schließlich konnte man kaum noch etwas sehen, trotzdem marschierten wir weiter, geleitet von unseren Jägern, die jeden Weg und Steg kannten.
    Natürlich hatten die Männer unseren Streit bemerkt, und daher wagte niemand, mich anzusprechen. Als sich die dünne Mondsichel über dem Wald erhob, war mein Zorn jedoch verflogen.
    Stattdessen hatte mich tiefe Mutlosigkeit erfasst. In meiner Vorstellung sah ich die Leichen der Geiseln mit durchschnittenen Kehlen im Fluss treiben. Hoffnungslosigkeit drohte mich zu überwältigen. Es war ein Trugschluss gewesen, wir hätten sie niemals befreien können. Der Feind war zu zahlreich, zu gewissenlos. Nun besaßen sie auch noch Rocafort, von wo wir sie nicht vertreiben konnten. Morgen würden Roberts Verstärkungen eintreffen. Und was hatte ich dem entgegenzusetzen? Nur eine Handvoll schlecht bewaffneter Bauernlümmel und ein paar wohlmeinende Reiter, das war alles. War es nicht besser, einzugestehen, dass ich mich verrechnet hatte? Alle Mühen waren umsonst, unsere kleine Welt in diesem Tal und unsere
familia
würden zugrunde gehen. Warum noch unnötig das Leben dieser treuen Seelen aufs Spiel setzen?
    So brütete ich vor mich hin. Und es war gut, dass in der Dunkelheit die Männer nicht die Niedergeschlagenheit auf meinem Gesicht erkennen konnten. Denn bitterer noch als das Eingeständnis meiner Niederlage war das Ende einer Liebe. Gewogen und für zu leicht befunden, denn in Bertas Augen war ich nicht besser als Robert und ihrer Liebe nicht wert. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, meine Habseligkeiten auf ein Packtier zu schnüren und, solange noch Zeit dazu war, auf immer von hier zu verschwinden. Was scherte mich Rocafort? Bertran konnte mich in Tripolis gut gebrauchen. Zum Teufel mit dem Grafentitel, zum Teufel auch mit Berta. Auf nach Homs, nach Damaskus und Bagdad! Es gab noch viel zu erobern in dieser Welt.
    Später schämte ich mich für solche Gedanken, aber Zorn und Enttäuschung über Bertas Abfuhr brannten wie Säure in meinem Herzen.

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