Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Dauer.«
    Bertran schloss einen Augenblick lang die Augen. Dann hob er wieder den Kopf und lehnte sich auf den Ellbogen.
    »Vater und Mutter?«, wollte er wissen. »Leben sie noch?«
    »Mein Vater starb, als ich Kind war. Aber meine Mutter verwaltet den Familienbesitz.«
    »Und was geschieht damit, wenn sie vor ihren Herrgott tritt?«
    Ich zuckte mit den Schultern, obwohl seine Frage mich getroffen hatte. Sie betraf Dinge, an die ich lange nicht gerührt hatte.
    »Eltern muss man ertragen«, sinnierte er, »man kann sie sich nicht aussuchen. Bei meinen war die Heirat das übliche Geschäft um Macht und Besitz. Wozu sind schließlich Töchter da, du weißt schon, wie es geht. Sogar der dümmste Bauer verkuppelt seine Töchter, wenn es etwas einbringt, hab ich nicht recht?«
    In der Tat. Davon konnte ich aus schmerzlichster Erfahrung selbst ein Lied singen. Aber ich sagte nichts weiter dazu, denn diese Dinge suchte ich eher zu vergessen, und den Grafen gingen sie wenig an.
    »Dabei sind solche Verbindungen nicht schlechter als andere«, fuhr er fort. »Meine Elena ist der beste Beweis. Mit der Zeit lernt man sich schätzen, mit Glück sogar lieben. Aber die Ehe meiner Eltern war ein völliger Fehlschlag. Mein Vater ließ sich selten blicken und wenn, dann stritten sie, dass das Gebälk zitterte. Sie waren zu verschieden. Der Alte ein herrischer, rechthaberischer Frömmler und meine Mutter eine leidenschaftliche und eigensinnige Frau. Wie Feuer und Wasser.« Plötzlich seufzte er. »Doch wie schön sie war! Als Kind habe ich sie vergöttert. Leider war sie oft in Gedanken abwesend. Deshalb hing ich zu viel an den Röcken der Kinderfrau.«
    »Lebt sie noch?«, fragte ich aus Höflichkeit.
    Aber Bertran schien mich nicht zu hören. »Anhes de Provence«, murmelte er. »Die schöne Anhes nannte man sie. Hätte gern den Grund ihrer Schwermut gekannt. Doch das wird ihr Geheimnis bleiben.« Er lächelte in sich hinein. »Als ich sechs war, ging sie ins Kloster. Ich kann mich noch gut erinnern, ich habe geschrien und wollte mit ihr gehen, aber mein Vater kam und hat mich zu sich genommen. Ein oder zwei Jahre später sagte man mir, sie sei gestorben.«
    »Ihr habt sie nie wieder gesehen?«
    »Nein. Man hatte mich später zum Knappen gemacht, und ich war bemüht, alles zur Zufriedenheit meines Vaters zu tun. Er war nicht unfreundlich zu mir, jedoch nie sehr herzlich.«
    »Man sagt, die Ehe wurde für ungültig erklärt. Ging sie deshalb ins Kloster?«
    »In der Tat. Wegen zu naher Verwandtschaft.« Er lachte bitter. »Die Bischöfe finden immer eine gute Ausrede, wenn der Fürst genug von einem Weib hat.« Inzwischen lallte er und hatte Mühe, die Augen offen zu halten. »Sie ging schon vorher ins Kloster. Sie konnte meinen Alten nicht ausstehen. Ich glaube, sie ließ ihn nicht mehr an ihr Honigdöschen ran. Weiß gar nicht, wie er es geschafft hat, mich zu zeugen.«
    Und dann fügte er noch etwas Seltsames hinzu. »Wie immer zerrissen sich die Mägde das Maul. Angeblich sei sie schwanger ins Kloster gegangen und Raimon nicht der Vater. Deshalb ihre Schwermut.« Er blinzelte mich herausfordernd an. »Das wäre doch was, wenn ich noch einen Bastardbruder hätte, nicht wahr, Jaufré? Und keiner wüsste davon?« Er kicherte. Schließlich fielen ihm die Augen zu, und er begann, laut zu schnarchen.
    Armer Bertran. Hoffentlich würde er sich morgen nicht mehr erinnern, was er mir in dieser weinseligen Laune anvertraut hatte. Ich rief seinen Diener, und gemeinsam trugen wir ihn ins Zelt. Einen Augenblick lang blieb ich noch am Feuer sitzen. Was für ein Tag, mein Gott. Der verschneite Pass und dann dieser Türkenangriff. Und nun tiefgründige Einsichten in die Seele meines Lehnsherrn.
    Die letzten Tropfen aus Bertrans Becher warf ich in die Glut, wo sie zischend verdampften. Ich blickte auf. Tausend Sterne funkelten über uns, die Nacht war kalt geworden. Bevor ich mein Nachtlager aufsuchte, wollte ich nach den Wachen sehen. Die Hunde erhoben sich und folgten mir auf leisen Pfoten. Ihre Nasen prüften den Wind. Bei den Pferden standen zwei Schatten. Einer war mein Freund, der graubärtige Guilhem
lo Galinier.
Er machte selbst die Runde.
    »Alles in Ordnung, Guilhem?«
    »Keine Sorge, Jaufré, du kannst ganz ruhig in dein warmes Nest kriechen.« Er lachte heiser. »Ich pass schon auf.«
    »Und wer hat Wache?«
    Der andere trat aus dem Schatten.
    »Severin, Herr.« Es war der junge Gascogner.
    »Nicht mehr lange bis zur Ablösung,

Weitere Kostenlose Bücher