Der Bastard von Tolosa / Roman
nieder, diese Bauerntölpel, greift sie an! Wascht eure Speere in ihrem Blut!«
Die Stimme überschlug sich fast, und es war Ricard, der so schrie. War ich denn tot? Der Schwertknauf drückte mich, denn die Klinge steckte immer noch in Durans leblosen Körper über mir. Ich versuchte, meine rechte Hand zu bewegen. Langsam gelang es mir, sie unter dem Kerl hervorzuziehen. Und dann wälzten sie den Ochsentreiber von mir runter, und ich konnte endlich wieder tief Luft holen. Ich musste husten, schaffte es jedoch, mich auf ein Knie zu heben. Wankend kam ich auf die Beine.
»Tot bin ich noch lange nicht, du Kröte«, krächzte ich und hustete abermals.
Roberts Söldner starrten mich an, als sei ich geradewegs der Hölle entkommen. Ricard schrie ihnen abermals zu, endlich die Waffen aufzunehmen, aber sie hatten ihr Vertrauen in Roberts Sache verloren. Zu viele ihrer Kameraden waren schon gefallen. Sie blickten sich noch einen Augenblick unschlüssig an, dann machten sie sich davon. Der Graubart schrie ihnen wütend hinterher, drohte, ihnen den verdienten Sold nicht mehr zu zahlen. Da drehte der Letzte sich zu ihm um. »Behalte dein Silber für die Hölle. Ich behalte mein Leben!« Dann lief er, um seine Kameraden einzuholen.
In Ricards Augen loderte jetzt ein wildes Feuer.
Alles war verloren. Und vielleicht war ihm gerade deshalb alles gleichgültig. Er riss sich sogar den Helm vom Kopf und schleuderte ihn von sich. Der letzte Rest von Selbstbeherrschung zerbrach in ihm, das letzte Fünkchen Vernunft wurde von einer Welle hemmungsloser Wut überschwemmt.
Ich habe später oft vergeblich zu ergründen versucht, warum er mich so hasste, warum er bis zum letzten Atemzug getrieben war, Rache an mir zu nehmen. Was hatte ich ihm getan, dass er mich um alles in der Welt vernichten wollte? Und als dies nicht gelang, musste er den nächstbesten, unschuldigen Menschen zerstören, der einen Platz in meinem Herzen gefunden hatte.
Bevor ihn jemand daran hindern konnte, packte er Ramon fester am Haar und riss seinen Kopf hoch, und dann mit einem unmenschlichen Schrei aus tiefster Kehle, wie der eines gepeinigten Tieres, schnitt er dem Jungen die Kehle durch.
»Da hast du deinen Krüppel«, schrie er frohlockend und hielt das bluttriefende Schwert in die Luft. Mit irrem Gelächter machte er die Runde, das Schwert gen Himmel gereckt. Die Menge stand wie zu Eis erstarrt. Es fiel ihnen nicht einmal ein, sich zu bekreuzigen.
Ich war sofort an Ramons Seite, während Severin sich mit dem Schwert in der Hand schützend vor uns stellte. Die Finger des Jungen krallten sich in seinen Hals, und er starrte entsetzt auf das Blut, das aus ihm hervorquoll. Vergeblich versuchte er zu atmen, und hilflos musste ich zusehen, wie mein Sohn in meinen Armen am eigenen Blut erstickte.
Die nächsten Augenblicke nahm ich kaum noch wahr. Erst später haben sie es mir erzählt.
Während ich Ramon in den Armen hielt, fand sich Ricard von unseren, vor ohnmächtigem Zorn rasenden Speerträgern umringt. Er schwang sein Schwert in alle Richtungen, und das hielt sie eine Weile zurück, bis Gustau auftauchte und brüllte, der Kerl gehöre ihm. Da machten sie eine Gasse, und Gustau hob Martins Türkenbogen.
Der erste Pfeil traf Ricard in die Gurgel, der zweite in die Brust. Aber er fiel nicht. Wankend und blutspuckend, fuchtelte er weiter mit dem Schwert vor sich herum und machte unflätige Gesten mit der anderen Faust. Hier war der Mann, der sie in Angst und Schrecken gehalten, ihre Frauen geschändet und gemordet hatte. Wie auf ein Kommando warfen sich alle auf einmal auf ihn, schlugen und stachen auf ihn ein, trampelten auf ihm herum, als er am Boden lag, begannen, ihn mit ihren Messern zu zerstückeln, und balgten sich um Teile seines Leichnams. Zuletzt pflanzten sie seinen blutigen Kopf auf einen Speer. Erst dann beruhigte sich die Menge.
Aber all das sah ich nicht.
Ich sah nur Ramon. Sein Gesicht war still und leichenblass. Im Tod hatte er nichts Einfältiges mehr. Seine Züge waren ernst, als müsse er nachdenken oder als schaue er nach innen in seine junge Seele hinein. Ich spürte schmerzhaft, wie mit ihm das letzte Band zu Amelha zerschnitten war. Ein wilder Klageschrei entriss sich meiner Brust, während ich den schmalen Körper in meinen Armen wiegte. Und dann war Berta auf den Knien neben mir. Tränenüberströmt warf sie die Arme um uns beide und hielt uns fest umschlungen. Wir hockten auf dem Wiesengrund und weinten gemeinsam um meinen Sohn
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