Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Zeit des Erwachsenwerdens erleichtern.
    Wir Männer saßen mit einem Becher Wein auf der Dorfwiese im Schatten des prachtvollen Baldachins, den Robert zurückgelassen hatte und den wir für heute hervorgeholt hatten. Gisla füllte unsere Krüge nach, und ich ließ auch Martin einen verdünnten Schluck davon trinken. Drogos Witwe trug sich ernst, ganz in Schwarz gekleidet, aber sie schien gefasst. Sie war noch jung und würde gewiss bald einen neuen Ehemann finden. Ich lud den alten Albin, ihren Schwiegervater, ein, einen Schluck mit uns zu nehmen.
    »Dass wir Alten sterben, ist der Lauf der Dinge«, sagte Albin mit trüber Miene. »Aber es ist schlimm für einen Vater, seinen Sohn zu begraben.«
    So wie ich Ramon hatte begraben müssen.
    Alle Opfer dieser schrecklichen Tage hatten wir auf dem kleinen Gottesacker neben der Burg zur ewigen Ruhe gebettet. Die sterblichen Überreste der Toten in den Bergen waren ausgegraben und ins Tal gebracht worden, die Leichen aus dem Fluss geborgen, ebenso wie die Männer in den Särgen, die wir nach jenem Nachtangriff mit Seilen von der Burgmauer heruntergelassen hatten. Drogo, Rosa, Alexis, Marta und Vilapros erhielten Ehrenplätze. Täglich besuchte ich Ramons frisches Grab und dachte darüber nach, was hätte sein können.
    »Und besonders bei einem guten Sohn wie Drogo«, fügte ich hinzu, und darauf tranken wir einen kräftigen Schluck. »Wir waren unzertrennlich, wenn du dich erinnerst.«
    Der Alte nickte. »Die Plage des ganzen Dorfes seid ihr gewesen.«
    Ein Stück abseits, im Schatten einer Eiche, hatten die Frauen von Rocafort eine Tafel für sich aufgebaut. Dort herrschte Joana. Und Cortesa saß still dabei. So stark sie sonst war, aber bei der Nachricht von Alexis’ Tod war sie zusammengebrochen. Tagelang hatte sie mit niemandem gesprochen und das Essen verweigert. Bis Joana ihr endlich klarmachte, dass sie essen müsse, wollte sie nicht auch noch das Kind in ihrem Bauch umbringen. Trotzdem sah sie immer noch blass und abgemagert aus, gar nicht, wie man es von ihr gewohnt war.
    »Wann kommt Raol endlich heim?«, fragte Albin.
    »Bald«, erwiderte ich. »Sie haben einen Boten gesandt. Und Berta kann es kaum erwarten.«
    Albin lächelte. »Jeder Mutter ist die Trennung von ihrem Kind ein Greuel, und sei es noch so erwachsen.«
    »So ist es. Und was mich betrifft, so bin ich froh, dass ich ab jetzt mehr Zeit mit meinen Söhnen verbringen kann. Die, die mir geblieben sind«, sagte ich und fuhr Martin durch den blonden Haarschopf.
    Hamid kam den Weg von der Burg herunter, begleitet von Magdalena. Obwohl sich beide, in Anbetracht Vilapros’ heldenhaften Todes, sehr zurückhaltend und rücksichtsvoll benahmen, konnte doch ein jeder aus ihren versteckten Blicken lesen, dass sie heimlich ein Paar geworden waren. Magdalena, die heute in den Farben der Trauer gekleidet war, hatte nie besser ausgesehen. Hamid geleitete sie zum Tisch der Frauen, wo sie freudig aufgenommen wurde. Dann kam er herüber und setzte sich zu uns. Er hatte seine beste Tunika angelegt, trug einen reichverzierten Gürtel und zum ersten Mal seit langer Zeit wieder sein Beduinentuch um den Kopf geschlungen. Er sah blendend aus, wie ein Fürst der
sarasins.
    Ich reichte ihm einen Becher mit Wein.
    »Es tut mir leid, mein Freund«, sagte ich, »dass du hier schon in den ersten Wochen deiner Ankunft all dies erleben musstest. Ich hoffe, du bereust nicht deine Entscheidung, mich zu begleiten.«
    Bedächtig trank er den ersten Schluck.
    »Weißt du, Jaufré«, sagte er, »je mehr man um etwas kämpfen muss, umso lieber und wertvoller wird es.« Er sah auf und grinste, dass seine weißen Zähne blitzten. »Ich habe dieses Tal inzwischen richtig liebgewonnen und werde es nicht mehr hergeben.«
    Die Männer am Tisch, die ihn hörten, lächelten erfreut und tranken ihm zu. Der alte Albin hob seinen Becher.
    »Sie haben gottlob nicht alle Rebstöcke zerstört«, bemerkte er, nachdem er ausgiebig an dem Wein gerochen und gekostet hatte. »Wenn der Sommer hält, was er verspricht, dann sollte es ein guter Jahrgang werden.«
    Für das Landvolk sind Saat und Ernte, der Ablauf der Jahreszeiten, das Wetter und die Gesundheit des Viehs immer Fragen von lebenswichtiger Bedeutung, ganz gleich, was sonst geschieht. Menschen sterben, Kinder werden geboren, aber der Kreislauf der Natur geht unaufhörlich weiter. Irgendwie war ich froh, dass der Alte von der Zukunft sprechen konnte.
    »Hör mal zu, Albin«, sagte ich. »Dein Enkel,

Weitere Kostenlose Bücher