Der Bastard von Tolosa / Roman
vergessen, was dein Handlanger Peyregoux hier verbrochen hat?«
»Ich habe davon gehört«, murmelte er dumpf.
»Er hat es getan, aber es ist in deinem Namen geschehen. Ich bin sicher, du hast schon viele benutzt, wie du auch meinen Sohn Raol benutzen wolltest. Kerle wie du, ihr ekelt mich an.«
Fast hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt, so wütend war ich. Und mein Schwert machte dieses unverkennbare Geräusch, als es aus der Scheide glitt. Ich hörte, wie Jordan den Atem anhielt. Und die Pupillen in Roberts dunklen Augen weiteten sich. Er wusste, was ihm bevorstand.
»Lass den Jungen leben«, flüsterte er. »Mich kannst du töten, aber er … Ich bitte dich … Er hat den Tod nicht verdient.«
Seine Augen richteten sich auf Jordan, und in diesem Blick war so viel Liebe und Zärtlichkeit, dass es mich wider Willen ins Herz traf. Jordan weinte und hob eine zitternde Hand und berührte Roberts Gesicht. Der schloss die Augen und küsste mit bebenden Lippen die Finger seines Geliebten.
Alles hatte ich erwartet. Dass er jammerte und um Gnade flehte, dass er mich verfluchte und verhöhnte, meine Mutter eine Hure schimpfte. Alles, aber nicht das. Nicht diese Liebe. Hier war ein Mann voller Hochmut, Gier und Gewissenlosigkeit, ein Mächtiger bei Hofe, einer, der Menschen benutzte und hinterhältige Pläne schmiedete. Und in diesem Augenblick, in Erwartung seines Todes, schien all dies von ihm abgefallen zu sein. Nichts zählte mehr für ihn als die Liebe zu diesem jungen Burschen.
Ich hob mein Schwert und packte es fest mit beiden Fäusten. Niemand sprach ein Wort. Es war still um uns herum, die Stille des Todes. Oder war es die Stille Gottes? Lange starrte ich die beiden vor mir an. Dann atmete ich langsam aus und ließ das Schwert wieder in die Scheide gleiten.
»Bindet ihn los«, befahl ich barsch.
»Was?«, rief Hamid erstaunt. »Bist du von Sinnen? Der Kerl wird nie aufhören, dein Feind zu sein, und dich immer verfolgen. Besser, du tötest ihn.«
Er hatte wie immer recht. Einen mächtigen Todfeind am Leben zu lassen, wie dumm konnte man sein? Ich würde es mein Lebtag lang bereuen.
»Ich sage, bindet ihn los!«
»Was ist mit Raol«, versuchte es Hamid noch einmal. »Er wird sich an deinem Sohn rächen.«
Ja. Vielleicht.
Robert sah mich mit großen Augen an. Er schien noch nicht verstanden zu haben. Vielleicht war es meine Liebe zu Berta, die mich daran hinderte, das einzig Sinnvolle zu tun, und weil ich dachte, dass ein Mann, der einen anderen Menschen so sehr liebt, nicht in Gänze schlecht sein kann, oder ähnlichen Unsinn. Später schien es mir, als habe doch noch Gott zu mir gesprochen. Jedenfalls war ich froh, dass das Morden ein Ende hatte. Ich machte mich selbst an seinen Fesseln zu schaffen und band ihn los.
»Gib ihm dein Pferd, Jaume!« Der öffnete den Mund, um zu widersprechen. »Tu, was ich dir sage, Mann!«
Wie benommen stieg Robert in den Sattel. Auch Jordan saß auf.
»No parla mot!«,
sagte ich heiser. »Über alles Stillschweigen, hörst du? Und wenn du Raol auch nur ein Haar krümmst, werde ich dich finden. Und dann hole ich nach, was ich dir heute erlassen habe.«
Robert nickte. »Danke«, flüsterte er.
Einmal noch drehte sich Jordan im Sattel um und hob scheu die Hand zum Abschied. Dann ritten sie langsam davon, und ich blickte ihnen lange nach. Dabei dachte ich wehmütig an meinen toten Sohn. Aber wenn ich seit Joanas Beichte über meinen Platz in der Welt gezweifelt hatte, nun sah ich alles klar vor mir.
Amor vincit omnia.
Ein lächerlicher Spruch, sollte man meinen. Und doch …
Jaumes Liebeslied
Sanctus Alexius, Patron der Pilger, Bettler, Vagabunden und Kranken; beschützt vor Erdbeben, Blitz und Unwetter, Pest und Seuchen
Dominica, 17. Tag des Monats Juli
E s war Wochen später, nachdem wir unsere Toten begraben und von der Ernte gerettet hatten, was noch übrig war, da besuchten wir am Tag des Herrn die Kirche in Cubaria und dankten Gott für unsere Erlösung. Dem verdammten Pfaffen Bernard hatte ich verziehen, nachdem er mir versprochen hatte, im Spätsommer mit dem Bau von Adelas Kapelle zu beginnen. Und das Ganze kostenlos. Selbst das Baumaterial würde er stellen.
Es war ein friedlicher, sonniger Tag. Nach der Messe ritten Berta und Adela über die Felder. Berta war gewiss kein Ersatz für Adelas Mutter, aber in ihr hatte meine Tochter eine Frau gefunden, zu der sie aufschaute und mit der sie sich gut verstand. Berta und Joana würden ihr die schwierige
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