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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Verheerung seines Landes zu schwächen.
    In Outremer fehlte es uns jedoch an Burgen, und der Feind konnte jederzeit große Heerscharen aufbieten.
    Ohne ein stehendes Heer von ausgebildeten
pezos,
wie man die Fußkämpfer herablassend nennt, konnten wir hier nicht bestehen. Waren in der Schlacht die Panzerreiter der Hammer, so stellten die Fußtruppen den Amboss dar, um den Ansturm des Gegners zu brechen.
    Arnaud war gerade dabei, solch eine Übung vorzubereiten. Eine Einheit von
pezos
sollte einen Reiterangriff abwehren. Sie standen in vier Reihen und einer Front von fünfzig Mann. An der rechten Flanke brüllte ein Ausbilder, weil ein paar Tölpel nicht recht im Glied standen. Statt scharfer Waffen trugen sie stumpfe Holzschäfte.
    Die Reiter hatten sich in etwa dreihundert Schritt Entfernung gesammelt. Auf Arnauds Hornsignal gaben sie ihren Tieren die Sporen und flogen im gestreckten Galopp auf die Schildwand zu. Ein dichter Haufen von wirbelnden Hufen, Helmen, starrenden Lanzen und hochgereckten Schilden, hinter denen die eisernen Kerle saßen. Die Erde zitterte unter ihrem Ansturm, Staub stieg hoch, und Erdklumpen flogen.
    Ein geballter Reiterangriff lässt selbst einem erfahrenen Krieger den Schreck in die Glieder fahren. Solange sie aber fest standen und nicht in der Flanke angegriffen wurden, waren die Männer einigermaßen sicher, denn kaum ein Pferd würde ungebremst in eine Wand aus Eisen und Speerspitzen hineinrennen. Fünfzig Schritte vor der Schildwand brüllte der Reiterführer einen Befehl, woraufhin er und seine Leute einen Bogen schlugen, um dem Fußtrupp in die Flanke zu fallen. Anfänglich ein sauber ausgeführter Schwenk, aber als sie den Angriff erneuerten, erwies sich die Reihe der Reiter als unregelmäßig und voller Lücken. Die Schildreihe versuchte inzwischen, ihre Frontlinie dem Angriff aus veränderter Richtung anzupassen. Der linke Flügel hätte abknicken und der rechte nachrücken müssen. Eine schwierige Bewegung, bei der die Männer übereinander stolperten und mehrere zu Boden stürzten, während andere es versäumten, die Lücken zu füllen. Arnaud stieß einen gellenden Pfiff aus und winkte die Übung angewidert ab.
    »Putan merda!«,
schrie er. »Was für eine Eselsbande!« Er stapfte ihre Front ab und brüllte sie angewidert an. »Die Türken wären jetzt dazwischen geritten und hätten euch alle einzeln abgestochen!«
    Dann kam er zu mir rüber und grinste trotz des Ausbruchs. »Noch ein paar Wochen, und ich hab sie so weit.«
    »Na, die Wende eben …«
    »Ich weiß. Das werden sie noch fünfzig Mal üben, ich verspreche es dir!«
    Die
militia christi
war immer hungrig nach neuen Rekruten. Und dies nicht nur, um Verluste auszugleichen, sondern weil viele einfach nach zwei oder drei Jahren abmusterten, um heimzukehren. Es war in Wahrheit ein ständiges Kommen und Gehen. Nur eine Kerntruppe von Männern wie Arnaud, Guilhem oder ich war über die Jahre geblieben. Als altgediente Haudegen bildeten wir das Rückgrat des provenzalischen Heeres. Wir wussten, wie man die Muslime besiegen konnte. Das machte uns zu den besten Ausbildern und Anführern, auf die Graf Bertran kaum verzichten konnte, wenn er seine Stellung im Land ausbauen wollte.
    Seit der Einnahme Jerusalems kamen immer mehr Pilger. Auf Jesus’ Spuren zu wandeln, war der Höhepunkt ihres Lebens. Sie besuchten das Grab des Herrn, kletterten auf den Ölberg, hielten Andacht in Bethlehem und ließen sich im Jordan taufen. Manche kamen von ihren Weibern begleitet, andere von Konkubinen. Darunter waren Verzweifelte, die auf Vergebung hofften oder auf Heilung ihrer Krankheiten. Nonnen, Mönche, von Wundern faselnde Irre, geschäftstüchtige Marketender, Diebe, die sich an den Pilgern bereicherten, oder Reliquienjäger, die gierig nach dem Fingerknochen eines Heiligen oder dem Schweißtuch eines Apostels suchten, zumindest, was man dafür halten mochte.
    Und in diesem Pilgerstrom fanden sich auch zum Kampf entschlossene Männer, die bereit waren, einen frommen Beitrag zu leisten oder sich für die Heimreise den Sold des Grafen zu verdienen. Was scherte es uns, was so mancher in der Heimat verbrochen hatte. Wir handelten nach Urbans Worten:
Wer zuvor Räuber war, soll in der
militia christi
Ritter werden.
Solange einer zum Krieger taugte, waren wir nicht zimperlich in der Auswahl.
    Das Gewicht von Rüstung und Waffen lässt einen Mann schnell ermatten. Außerdem erwarteten wir, dass sie nach langem Marsch in der Sonnenglut noch

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