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Der Bastian

Der Bastian

Titel: Der Bastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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wieder stehen und mußten sich furchtbar
küssen, so, als ob es morgen verboten würde. Küßten sich meistens da, wo es
besonders hell und belebt war. Nicht absichtlich. Es ergab sich so.
    Unter einer Laterne fiel ihm ein, was sein
Unterbewußtsein wie Schwermut belastete. »Ich hab’ bestanden, Kathinka.«
    Sie wollte sich freuen, er schnitt ihr die
Freude mit der Bemerkung ab: »Das heißt, daß ich bald fort muß.«
    Kathinka lachte. »Du redest, als ob du mit’m
Frühzug in den Krieg ziehen mußt. Komm, mach’s nicht so dramatisch!«
    »Wer weiß, wo sie mich hinstopfen werden! In
welchen Schulamtsbereich?«
    »Vielleicht ist es ganz nah bei München«,
tröstete sie. »Und selbst wenn nicht, es ist ja nicht für ewig.«
    »Aber abends? Was mach’ ich abends ohne dich?«
    »Hefte durchsehen. Dich vorbereiten für deine
Schulstunden.«
    »Du bist so roh, Kathinka. Du bist
wahrscheinlich froh, daß ich abends nicht mehr dasein werd’.«
    »Ja, o ja. Da komm’ ich endlich einmal zum
Ausschlafen.« Sie zog ihn weiter.
    »Was reden wir über ungelegte Eier. Warten wir’s
ab, Bastian. Freuen wir uns über jeden Tag, an dem wir noch nichts Definitives
wissen.«
    Gegen zwei Uhr früh schlief sie endlich in
seiner Armbeuge ein. Sie schlief so gern mit ihm, aber so schlecht. Für zwei
war ihr Bett zu schmal und die Nacht zu heiß.
     
    Kathinka lag schon eine Weile wach, bevor um
halb sieben der Wecker klingelte. Sie hörte auf die dichter werdenden
Straßengeräusche. Sah, wie der blasse Himmel im Fensterausschnitt Farbe annahm
und Sonnenstrahlen die rechte untere Fensterecke errichten. Im Haus rauschten
die Klos.
    Bastian schlief auf dem Bauch liegend, das
Gesicht auf den Händen, mit leicht geöffnetem Mund.
    Es rührte Katharina immer wieder, wie ein Mensch
dem anderen seine Wehrlosigkeit im Schlaf anvertraute.
    Und in wenigen Wochen würde er nicht mehr
dasein. Warum konnte sie vorher nicht noch einmal mit ihm irgendwohin fahren,
und wenn’s nur für drei Tage war? Warum war es in diesem Beruf nicht möglich,
einfach mal drei Tage blauzumachen?
    Irgendwo ins Salzkammergut.
    Ohne Bergsteigen.
    Fiaker fahren.
    Dabei Veltliner trinken.
    In den Himmel gucken. So tun, als ob’s keine
anderen Touristen außer ihnen gäbe.
    Pferdeäpfel. Kutscheknarren. Hufeklappern.
    Genau zwei Minuten vorm Weckerklingeln schlief
Katharina wieder ein.
     
     
     

Ferkel züchten
     
    Wenige Tage später erhielt der Lehramtsanwärter
Bastian Anton Guthmann vom Kultusministerium den Bescheid, daß er der
Grundschule in Regen, Regierungsbezirk Niederbayern, zugeteilt worden war.
    Regen.
    Also Regen.
    Wo lag denn Regen überhaupt?
    Zuerst suchte er seine Zigaretten. Die fand er.
    Dann suchte er seine Autokarte. Die fand er
nicht, - wohl aber einen geerbten Autoführer aus dem Jahre 1939. Darin war
Regen als »Markt« angegeben, mit 3300 Einwohnern und zwei Gasthäusern, wovon
das erste Haus am Platze dreißig Betten hatte, zu eineinviertel bis anderthalb
Reichsmark pro Nacht. Mit Frühstück.
    Nun suchte Bastian den dritten Band seines
Lexikons von L bis R. Er fand ihn als linken vorderen Bettfuß wieder. Im
Lexikon von 1968 war aus dem Marktflecken inzwischen eine Kreisstadt mit 8500
Einwohnern geworden, mit Glas- und Textilindustrie.
    Danach brach Bastian in das Zimmer seines
Untermieters ein und suchte dessen Kursbuch. Aber das war aus dem Jahre 71 und
somit ebenfalls überholt.
    Also fuhr Bastian mit der Tram zum Bahnhof und
ließ sich eine Zugverbindung nach Regen heraussuchen.
    »Wollen Sie frühmorgens oder abends fahren? Da
gibt es durchgehende Züge.«
    »Nein, bitte mittags. Nach der Schule.«
    »Da hätten wir einen, der geht um 13.07 vom
Starnberger Bahnhof, kommt um 14.58 in Plattling an. Um 15.16 geht er von
Plattling nach Regen. Ankunft 16.11.«
    Drei Stunden Bahnfahrt! Wahrscheinlich hielt der
Zug an jeder Milchkanne!
    In der Bahnhofsbuchhandlung kaufte er eine Karte
von Niederbayern.
    Inzwischen war ihm aufgefallen, daß er sich einen
Mittagszug von München nach Regen anstatt von Regen nach München hatte geben
lassen. Sobald er sich mit Kursbüchern einließ, selbst wenn andere ihm das
Zügesuchen abnahmen, verwirrte sich sein Geist.
    Aber ob von München nach Regen oder von Regen
nach München — die Fahrzeit blieb die gleiche. Er würde drei Stunden von
Kathinka entfernt sein.
    Mit Umsteigen in Plattling.
    Regen!
    Was sollt’ er denn da! Da kannte er doch keinen.
    Und bald kam der Winter.
    Bastian brauchte

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