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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Dann gab es ganz hinten Kampflärm, und er kehrte, das Tier tragend, zurück. Mutter Palette, eine alte gelbe Frau, nahm es in ihre Arme und behielt es einen Augenblick auf ihrem Bauch in der Stellung der antiken Leda40.
    »Ah, gut!« sagte sie. »Wenn du nicht dagewesen wärest! – Neulich habe ich mich mit einer herumschlagen müssen: ich hatte mein Messer bei mir und habe ihr den Hals abgeschnitten.«
    Marjolin war ganz außer Atem. Als sie bei den Schlachtbänken in die lebhafte Helligkeit der Gaslampen kamen, sah Lisa, daß er völlig in Schweiß gebadet war und seine Augen von einer Glut glänzten, die sie nicht an ihm kannte. Sonst hatte er sie immer vor ihr niedergeschlagen wie ein Mädchen. Sie fand, daß er ein sehr schöner Mann war mit seinen breiten Schultern, dem großen rosigen Gesicht und den Locken seiner blonden Haare. Sie betrachtete ihn so wohlgefällig, mit jener Art gefahrloser Bewunderung, wie man sie allzu jungen Burschen bezeigt, so daß er noch einmal wieder schüchtern wurde.
    »Du siehst ja, daß Herr Gavard nicht hier ist«, meinte sie. »Du läßt mich meine Zeit vertun.«
    Da erklärte er ihr mit hastigen Worten das Schlachten. Die fünf riesigen Steinbänke erstreckten sich längs der Rue Rambuteau in der gelben Helligkeit der Kellerlöcher und der Gaslampen. An einem Ende ließ eine Frau Hühner ausbluten, was ihn veranlaßte, zu bemerken, daß die Frau das Geflügel fast noch lebend rupfe, weil es so leichter ginge. Dann wollte er, daß sie eine Handvoll Federn von den auf den Steinbänken herumliegenden riesigen Haufen nehme; er erklärte ihr, sie würden ausgelesen und je nach Feinheit bis zu neun Sous das Pfund verkauft. Sie mußte auch die Hand in die großen Körbe mit Daunen versenken. Darauf drehte er an den Hähnen der Wasserleitungen, die an jedem Pfeiler angebracht waren. Er war unversiegbar in Einzelheiten: das Blut laufe die Bänke entlang und bilde Pfützen auf den Fliesen; die Wärter spülten sie alle zwei Stunden mit viel Wasser ab und entfernten die roten Flecke mit groben Bürsten. Als sich Lisa über das Abflußloch neigte, gab es wieder eine ganze Geschichte: Er erzählte, daß bei Gewitterstürmen durch diesen Abfluß das Wasser in den Keller dringe; einmal sei es bis auf dreißig Zentimeter gestiegen, und das Geflügel habe nach dem anderen äußersten Ende des abschüssigen Kellers in Sicherheit gebracht werden müssen. Er lachte noch jetzt über den Heidenlärm der erschreckten Tiere. Als er jedoch damit fertig war und ihm nichts mehr einfiel, entsann er sich des Ventilators. Er führte sie ganz nach hinten, ließ sie in die Höhe blicken, und sie gewahrte das Innere eines der Ecktürmchen, eine Art weiten Abzugrohrs, in denen die Übelkeit erregende Luft aus den Vorratsräumen aufstieg.
    Marjolin verstummte in diesem durch das Zusammenströmen der Gerüche verpesteten Winkel. Es war die Ammoniakschärfe von Guano. Aber er schien angeregt und aufgepeitscht zu sein. Seine Nasenflügel bebten; er atmete heftig, als finde er die Kühnheiten der Begierde wieder. Seit einer Viertelstunde, die er mit der schönen Lisa im Kellergeschoß war, berauschte ihn dieser Dunst, diese Wärme lebender Tiere. Jetzt war er nicht mehr schüchtern; er war angefüllt mit der Brunst, die unter dem flachen Gewölbe, das schwarz von Schatten war, den Mist der Geflügelställe erhitzte.
    »Gehen wir«, meinte die schöne Lisa. »Du bist ein braver Junge, daß du mir das alles gezeigt hast … Wenn du in die Fleischerei kommst, werde ich dir etwas geben.« Sie faßte ihn unters Kinn, wie sie es oft tat, ohne zu bedenken, daß er herangewachsen war. Sie war wirklich ein wenig erregt, erregt von diesem Spaziergang unter der Erde, in einer sehr süßen Erregung, die sie gern auskostete wie etwas Erlaubtes, das keine Folgen nach sich zieht. Sie vergaß vielleicht ihre Hand ein wenig länger als sonst unter diesem Jünglingskinn, das sich so zart anfühlte. Da gab er bei dieser Liebkosung dem Drängen des Triebs nach, vergewisserte sich durch einen Seitenblick, daß niemand da war, duckte sich und warf sich mit der Gewalt eines Stiers auf die schöne Lisa. Er hatte sie bei den Schultern gepackt und kippte sie in einen großen Korb mit Federn, in den sie mit bis zu den Knien hochgerutschten Röcken wie ein Klotz hineinfiel. Und er schickte sich an, sie um die Hüften zu fassen, so wie er Cadine faßte, mit der Roheit eines Tieres, das raubt und seine Begierde befriedigt, als sie, ohne zu

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