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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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François, als sie in die Rue du PontNeuf einbog.
    Claude schwor, es sei »süß wie ein Brautbett«. Auf dem Rücken liegend, die Hände unter dem Kopf verschränkt, betrachteten sie den bleichen Himmel, an dem die Sterne erloschen. Die ganze Rue de Rivoli entlang bewahrten sie Schweigen, warteten darauf, keine Häuser mehr zu sehen, hörten nur der biederen Frau zu, die mit ihrem Balthasar plauderte und liebevoll zu ihm sagte: »Geh, wie’s dir behagt, Alterchen … Wir haben keine Eile, wir kommen immer noch zurecht …«
    Auf den Champs Elysées wurde der Maler, als er rechts und links nur noch Baumkronen und die große grüne Masse des Jardin des Tuileries im Hintergrunde gewahrte, munter und begann vor sich hin zu sprechen. Als sie an der Rue du Roule vorbeigekommen waren, hatte er das Seitenportal von SaintEustache betrachtet, das von weitem unter dem riesigen Schuppen einer überdachten Straße der Markthallen zu sehen war. Er kam unaufhörlich darauf zurück und wollte ein Symbol darin sehen.
    »Es ist das ein eigenartiges Zusammentreffen«, sagte er, »dieses Stück Kirche, eingerahmt von dieser Straße aus Eisen … Das eine wird das andere vernichten, das Eisen wird den Stein töten, und die Zeiten sind nah … Glauben Sie an den Zufall, Florent? Ich stelle mir vor, daß nicht das Erfordernis der Baulinienführung allein die Rosette von SaintEustache in dieser Weise mitten in die Zentralmarkthallen gestellt hat. Sehen Sie, das ist ein ganzes Manifest, das ist die moderne Kunst, der Realismus, der Naturalismus, wie Sie es nennen wollen, die gegenüber der alten Kunst heranwachsen … Sind Sie nicht auch dieser Meinung?«
    Florent bewahrte Schweigen.
    Er fuhr fort:
    »Diese Kirche hat übrigens eine Bastardarchitektur. Das Mittelalter liegt hier im Sterben, und die Renaissance lallt erst … Ist Ihnen aufgefallen, was für Kirchen man uns heute baut? Die ähneln allem, was man will: Bibliotheken, Sternwarten, Taubenschlägen, Kasernen; aber sicherlich ist niemand überzeugt, daß der liebe Gott darin wohnt. Die Baumeister des lieben Gottes sind tot; es wäre eine große Weisheit, nicht mehr diese häßlichen Steingerippe zu errichten, in denen wir niemand unterzubringen haben … Seit dem Beginn unseres Jahrhunderts ist nur ein einziges originales Baudenkmal gebaut worden, ein Baudenkmal, das in nichts nachgemacht ist, das natürlich aus dem Boden des Zeitalters emporgesprossen ist, und das sind die Zentralmarkthallen, verstehen Sie, Florent, ein verwegenes Werk, sehen Sie, und das erst eine schüchterne Offenbarung des zwanzigsten Jahrhunderts ist … Deswegen ist SaintEustache versunken, weiß Gott! Da hinten steht SaintEustache mit seiner Rosette, leer von seinem frommen Volk, während sich die Markthallen daneben ausbreiten, über und über summend von Leben … Das ist es, was ich sehe, mein Lieber!«
    »Na, Herr Claude«, rief Frau François lachend, »wissen Sie, die Frau, die Ihnen die Zunge gelöst hat, hat ihre fünf Sous nicht gestohlen! Sogar Balthasar spitzt die Ohren, um Ihnen zuzuhören … Hü, los, Balthasar!«
    Der Wagen fuhr langsam bergan. Um diese Morgenstunde war die Avenue menschenleer mit ihren ausgerichteten eisernen Stühlen auf den beiden Bürgersteigen und ihren von dichtem Gebüsch durchschnittenen Rasenflächen, die unter dem Blau der Bäume versanken. Am RondPoint ritten ein Herr und eine Dame im Reitkleid in kurzem Trabe an ihnen vorbei. Florent hatte sich aus einem Packen Kohlblätter ein Kopfkissen gemacht und betrachtete noch immer den Himmel, an dem sich ein großes rosiges Leuchten entzündete. Für Augenblicke schloß er die Augen, um besser zu fühlen, wie ihm die Morgenfrische über das Gesicht floß, so glücklich, von den Markthallen fortzukommen, in die reine Luft zu ziehen, daß ihm die Stimme versagte und er nicht einmal hörte, was um ihn her gesprochen wurde.
    »Die sind ja wirklich gut, die die Kunst in eine Spielzeugschachtel stecken!« begann Claude wieder nach einem Schweigen. »Ihr Schlagwort ist: Mit Wissenschaft macht man keine Kunst, die Industrie tötet die Poesie; und alle diese Schwachköpfe fangen an, über die Blumen zu flennen, als ob irgend jemand daran dächte, sich hinsichtlich Blumen schlecht aufzuführen … Ich bin schließlich wirklich gereizt. Ich habe Lust, auf dieses Geflenne mit herausfordernden Werken zu antworten. Es würde mir Spaß machen, diese guten Leute ein bißchen hochzubringen … Soll ich Ihnen sagen, was, seit ich arbeite,

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