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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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kommen.«
    Florent beeilte sich fortzukommen. Er war sehr betrübt. Als er nicht mehr da war, wagte Lisa nicht, ihrem Mann seine Schwäche, diese Einladung für die Sonntage, vorzuwerfen. Sie blieb jedenfalls Siegerin und atmete wieder auf in ihrem Eßzimmer mit den hellen Eichenholzmöbeln und hätte am liebsten Zucker verbrannt, um den Geruch nach entarteter Magerkeit daraus zu vertreiben, den sie hier spürte. Im übrigen verhielt sie sich nun abwartend. Jedoch nach einer Woche empfand sie heftigere Unruhe. Sie sah Florent nur selten am Abend, aber sie stellte sich schreckliche Dinge vor, eine da oben in Augustines Kammer hergestellte Höllenmaschine oder Signale, die vom Altan aus weitergegeben wurden, um das Viertel mit Barrikaden zu überziehen. Gavard nahm ein düsteres Gebaren an, antwortete nur mit Kopfwackeln und überließ seinen Laden ganze Tage lang Marjolins Obhut. Die schöne Lisa beschloß, sich darüber Klarheit zu verschaffen. Sie erfuhr, daß sich Florent Urlaub genommen hatte und daß er ihn mit Claude Lantier bei Frau François in Nanterre verbringen wollte. Da er am Morgen aufbrechen und erst am Abend zurückkommen würde, gedachte sie Gavard zum Essen einzuladen; wenn er den Bauch am Tisch hatte, würde er todsicher reden. Aber während des ganzen Vormittags konnte sie den Geflügelhändler nicht antreffen. Am Nachmittag kam sie wieder in die Markthallen.
    Marjolin war allein im Laden. Hier döste er stundenlang und ruhte sich von seinem langen Herumstreunen aus. Wie gewöhnlich saß er auf einem Stuhl, streckte die Beine auf dem anderen Stuhl aus, den Kopf gegen den kleinen Schrank im Hintergrund gelehnt. Im Winter entzückten ihn die Wildbretauslagen: die Rehe, die mit dem Kopf nach unten hingen, die Vorderfüße gebrochen und über dem Hals zusammengebunden; die Lerchenhalsbänder, die girlandenförmig um den Laden liefen wie Schmuck von Wilden; die großen rotbraunen Hasen, die gesprenkelten Rebhühner, die bronzegrauen Wasservögel, die russischen Haselhühner, die in einem Gemengsel von Haferstroh und Kohle ankommen, und die Fasanen, die herrlichen Fasanen mit ihrer scharlachroten Haube, ihrem grünseidenen Halsstück, ihrem Mantel aus mit Niello39 ausgelegtem Gold, ihrem Flammenschweif, der wie ein Hofgewand nachschleppte. All diese Federn erinnerten ihn an Cadine, an die unten in den weichen Körben verbrachten Nächte.
    An diesem Tage fand die schöne Lisa Marjolin mitten unter dem Geflügel. Der Nachmittag war schwül. Windstöße wehten durch die engen Straßen der Halle. Sie mußte sich bücken, um ihn zu entdecken, der sich im Hintergrund des Ladens unter dem rohen Fleisch der Auslage hingesielt hatte. Oben hingen, an der Stange mit den Wolfszähnen festgehakt, Fettgänse, denen der Haken in die blutende Halswunde gedrungen war, mit langem und steifem Hals, der ungeheuren Masse des Bauches, der unter dem feinen Flaum rötlich wirkte und sich wie eine Nacktheit blähte im Wäscheweiß von Schwanz und Flügeln. An der Stange baumelten auch, die Läufe vorgespreizt wie zu irgendeinem gewaltigen Sprung, die Ohren angelegt, Kaninchen mit grauem, vom weißen Haarbüschel des hochgehobenen Schwänzchens geflecktem Rücken, deren Kopf mit den spitzen Zähnen und den trüben Augen das Lachen toten Getiers lachte. Auf dem Auslagetisch zeigten gerupfte Hühner ihre fleischige, mit einer Hechtgräte gespannte Brust. Auf einer Horde von Weidengeflecht zusammengedrängte Tauben hatten die nackte und zarte Haut unschuldiger Kindlein. Enten mit rauherem Balg falteten die Schwimmhäute ihrer Pfoten auseinander. Drei prächtige Puten, die blau gestichelt waren wie ein frisch rasiertes Kinn, schliefen auf dem Rücken, den Hals in den schwarzen Fächern ihrer ausgebreiteten Schwanzfedern zurückgebogen. Daneben lagen auf Tellern Geflügelklein, Leber, Magen, Hals, Pfoten, Flügel, während auf einer ovalen Schüssel ein abgezogenes und ausgenommenes Kaninchen lag, alle viere von sich gespreizt, mit blutigem Kopf und aufgeschlitzter Bauchhaut, und die beiden Nieren sehen ließ; ein blutiger Faden war vom Kreuz bis zum Schwanz heruntergelaufen und hatte Tropfen für Tropfen das Weiß des Porzellans fleckig gemacht. Marjolin hatte nicht einmal das Ausweidebrett abgewischt, neben dem die Pfoten des Kaninchens noch herumlagen. Er hatte die Augen halb geschlossen, und um ihn her war auf den drei Etageren, die das Innere des Ladens zierten, noch weiteres geschlachtetes Geflügel aufgetürmt, Geflügel wie

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