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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der hohlen Hand Wasser aus dem Rinnstein und rannten zurück, um die Holzstücke zu begießen. Pauline, die zu dick war und nicht zu rennen verstand, ließ das ganze Wasser zwischen ihren Fingern durch und auf ihr Kleid rinnen, so daß sie sich im Rinnstein gewälzt zu haben schien, als sie den Weg zum sechstenmal machte. Murx fand sie sehr schön, als sie sehr schmutzig war. Er setzte sich mit ihr neben dem neugepflanzten Garten unter einen Rhododendron. Er erzählte ihr, daß es schon wachse. Er nahm sie bei der Hand und nannte sie seine kleine Frau.
    »Nicht wahr, es tut dir nicht leid, daß du mitgekommen bist, anstatt da auf dem Bürgersteig zu stehen, wo du dich bloß gelangweilt hast … Du wirst sehen, ich weiß eine Unmenge Spiele auf der Straße. Du mußt wiederkommen, hörst du. Bloß braucht man nicht alles seiner Mama zu erzählen. So dumm stellt man sich nicht an … Wenn du etwas erzählst, verstehst du, zieh ich dich an den Haaren, wenn ich wieder bei dir vorbeikomme.«
    Pauline antwortete immerzu ja. Als letzte Galanterie füllte er ihr die Schürzentaschen mit Erde. Er drückte sie an sich und versuchte ihr aus Straßenjungengrausamkeit heraus weh zu tun. Aber sie hatte keinen Zucker mehr, sie wollte nicht mehr spielen und wurde unruhig. Als er sie gar zu kneifen begann, fing sie an zu weinen und meinte, sie wolle davongehen. Das munterte Murx tüchtig auf, der sich nun als Beschützer aufspielte; er drohte, sie nicht zu ihren Eltern zurückzubringen. Die Kleine stieß, ganz und gar verschreckt, unterdrückte Seufzer aus wie eine tief in einem unbekannten Gasthof der Gnade ihres Verführers ausgelieferte Schöne. Er hätte sie bestimmt schließlich noch geschlagen, um sie zum Schweigen zu bringen, als eine kreischende Stimme, Fräulein Sagets Stimme, neben ihnen schrie:
    »Um Gottes willen, das ist ja Pauline … Willst du sie wohl in Ruhe lassen, garstiger Taugenichts!«
    Die alte Jungfer nahm Pauline bei der Hand und stieß Klagerufe über den bejammernswerten Zustand ihrer Kleidung aus. Murx erschrak kaum darüber; er folgte ihnen, lachte sich eins, wobei er immer wieder sagte, sie habe durchaus mitkommen wollen und habe sich auf die Erde fallen lassen.
    Fräulein Saget gehörte zu den Stammgästen des Square des Innocents. An jedem Nachmittag verbrachte sie dort eine gute Stunde, um sich über allen Stadtklatsch der kleinen Leute auf dem laufenden zu halten. Zu beiden Seiten steht dort im Halbkreis eine lange Reihe von Bänken nebeneinander. Die armen Leute, die in den kleinen Löchern der engen Straßen in der Nachbarschaft ersticken, pferchen sich hier zusammen: vertrocknete Greisinnen, die fröstelnd aussehen, in zerknitterten Häubchen; junge Frauen in Unterjacken mit schlechtbefestigten Röcken und bloßem Haar, die bereits abgehetzt und verwelkt waren vor Elend; desgleichen einige Männer, saubere Greise, Lastträger in schmierigen Joppen, verdächtige Herren im schwarzen Hut, während in der Allee sich die Gören sielen, Wägelchen ohne Räder ziehen, Eimer mit Sand füllen, heulen und sich beißen, schreckliche Gören, die, zerlumpt, die Nasen schlecht geputzt, in der Sonne wie Ungeziefer herumwimmeln. Fräulein Saget war so dünn, daß sie es stets zuwege brachte, auf eine vollbesetzte Bank zu schlüpfen. Sie hörte zu, knüpfte ein Gespräch mit einer Nachbarin an, mit irgendeiner ganz gelben Arbeiterfrau, die Wäsche ausbesserte und aus einem kleinen, mit Bindfaden geflickten Korb Taschentücher und wie ein Sieb durchlöcherte Strümpfe herauszog. Außerdem hatte sie ihre Bekannten. Inmitten des unerträglichen Gekreisches der Gören und des unausgesetzten Rollens der Wagen hinten in der Rue SaintDenis gab es endloses Geklatsche, Geschichten über die Lieferanten, Kolonialwarenhändler, Bäcker, Fleischer, eine ganze durch Kreditverweigerungen und den dumpfen Haß der Armut vergällte Tageszeitung des Viertels. Unter diesen Unglücklichen erfuhr sie vor allem nichteinzugestehende Dinge, was aus anrüchigen Logierhäusern herabkam, aus den schwarzen Logen der Concierges50 drang, die Schmutzigkeiten der Verleumdung, mit denen sie wie mit einer Prise spanischem Pfeffer ihre Neugiergelüste anstachelte. Ferner hatte sie, das Gesicht den Markthallen zugewandt, den Platz vor sich, die drei von Fenstern durchlöcherten Häuserblocks, in die sie mit dem Blick einzudringen suchte; sie schien größer zu werden, so an den Glaslöchern die Stockwerke entlangzuwandern bis zu den Dachluken der

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