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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sprach er mit ihm über die »Angelegenheit«, um ihm Rechenschaft über seine Schritte abzulegen und ihm die Namen neuer Anhänger zu geben. Er hatte bei dem Unterfangen die Rolle des Organisators übernommen, ihm kam es zu, Unterredungen zwischen den Leuten zu vermitteln, Sektionen zu gründen, jede Masche des riesigen Netzes vorzubereiten, in das Paris auf ein gegebenes Zeichen hin fallen würde. Florent blieb der Anführer, die Seele der Verschwörung. Übrigens schien der Bucklige Blut und Wasser zu schwitzen, ohne zu nennenswerten Ergebnissen zu gelangen; obgleich er geschworen hatte, in jedem Viertel zwei oder drei Gruppen von verläßlichen Leuten zu kennen, ähnlich der Gruppe, die bei Herrn Lebigre zusammenkam, hatte er bis jetzt keine genaue Auskunft beschafft, warf Namen hin, erzählte von endlosen Laufereien inmitten der Begeisterung des Volkes. Wovon er am klarsten berichtete, das waren Händedrücke: ein Soundso, den er duze, habe ihm die Hand gedrückt und dabei zu ihm gesagt, »er sei dabei«; bei GrosCaillou habe ihm ein verteufelt langer Kerl, der einen prachtvollen Anführer einer Sektion abgeben würde, beinahe den Arm ausgerissen; in der Rue Popincourt habe ihn ein ganzer Arbeitertrupp umarmt. Hörte man ihn reden, so seien von einem Tag zum andern hunderttausend Mann zusammenzubringen. Wenn er, ganz erschöpft aussehend, ankam, sich auf die Bank im kleinen Gelaß fallen ließ und seine Geschichten abwandelte, machte sich Florent Aufzeichnungen und verließ sich auf ihn, was die Einlösung seiner Versprechungen anging. So nahm in seiner Tasche die Verschwörung Leben an; die Notizen wurden Wirklichkeit, unbestreitbare Gegebenheiten, auf denen der Plan ganz und gar beruhte. Es war nur noch eine gute Gelegenheit abzuwarten. Logre erklärte mit seinen leidenschaftlichen Gebärden, wie geschmiert werde alles gehen.
    Zu dieser Zeit war Florent vollkommen glücklich. Er wandelte nicht mehr auf der Erde, gleichsam emporgehoben durch diese ausgeprägte Vorstellung, sich zum Rächer der Leiden zu machen, die er hatte erdulden sehen. Er hatte die Leichtgläubigkeit eines Kindes und die Zuversicht eines Helden. Logre hätte ihm, ohne ihn zu überraschen, erzählen können, der Genius der Julisäule59 werde herabsteigen, um sich an ihre Spitze zu stellen. Abends bei Herrn Lebigre sprudelte es nur so aus ihm heraus. Er sprach von der bevorstehenden Schlacht wie von einem Fest, zu dem alle tapferen Leute eingeladen seien. Wenn aber Gavard dann verzückt mit seinem Revolver spielte, wurde Charvet schneidender, grinste und zuckte die Achseln. Daß sich sein Rivale als Anführer der Verschwörung gebärdete, brachte ihn außer sich und verleidete ihm die Politik. Eines Abends, als er früher gekommen war und sich mit Logre und Herrn Lebigre allein befand, machte er seinem Herzen Luft.
    »Ein Bursche«, sagte er, »der keine Vorstellung von Politik hat, der besser getan hätte, als Schreiblehrer in ein Mädchenpensionat zu gehen … Es wäre ein Unglück, wenn er Erfolg hätte, denn er würde uns seine verfluchten Arbeiter auf den Hals laden mit seinen sozialen Hirngespinsten. Sehen Sie, das ist es, was die Sache zum Scheitern bringt. Weinerliche Gesellen und Humanitätsapostel, solche Leute, die sich bei der geringsten Schramme um den Hals fallen, können wir nicht gebrauchen … Aber er wird keinen Erfolg haben. Er wird sich hinter Schloß und Riegel bringen. Das ist alles.«
    Logre und der Weinhändler zuckten nicht mit der Wimper und ließen Charvet weiterreden.
    »Und er säße längst schon hinter Schloß und Riegel«, fuhr er fort, »wenn er so gefährlich wäre, wie er uns glauben machen will. Wissen Sie, mit seinem Rückkehrergehabe von Cayenne … Das tut einem leid. Ich sage Ihnen, die Polizei hat vom ersten Tage an gewußt, daß er in Paris ist. Wenn sie ihn in Ruhe gelassen hat, so deswegen, weil sie sich nicht um ihn schert.«
    Logre zuckte leicht zusammen.
    »Hinter mir sind sie schon sein fünfzehn Jahren her«, hub der Hébertist mit einem Anflug von Hochmut an. »Ich schreie das doch aber nicht über allen Dächern aus … Nur bei seinem Wirrwarr werde ich nicht mitmachen. Ich will mich nicht wie ein Dummkopf erwischen lassen … Vielleicht sind ihm schon ein halbes Dutzend Spitzel auf den Fersen, die ihn eines Tages am Kragen packen, wenn ihn die Präfektur braucht …«
    »Oh nein, was für ein Gedanke!« meinte Herr Lebigre, der nie den Mund auftat. Er war ein wenig blaß und sah Logre an,

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