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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mehr, wo er seinen Hut aufhängen solle, aus Furcht, ihn schmutzig zu machen. Herumliegende Papiere schob er weg und sagte, man fühle sich nicht mehr zu Hause, seit »dieser Herr« alles in dem Gelaß erledige. Er beschwerte sich sogar bei dem Weinhändler und fragte ihn, ob das Gelaß einem einzigen Gast oder der Gesellschaft gehöre. Dieser Einbruch in sein Reich gab ihm den Rest. Die Menschen waren Vieh. Er faßte eine große Verachtung gegen die Menschheit, als er sah, wie Logre und Herr Lebigre keinen Blick von Florent wandten. Gavard brachte ihn außer sich mit seinem Revolver. Robine, der schweigend hinter seinem Schoppen saß, schien ihm entschieden der tüchtigste Mann der Bande zu sein; der mußte die Menschen wohl nach ihrem Wert beurteilen und ließ sich nicht mit Worten abspeisen. Was Lacaille und Alexandre anging, so bestätigten sie ihn in seiner Auffassung, daß das Volk zu dumm sei und eine revolutionäre Diktatur von zehn Jahren brauche, um zu lernen, wie es sich verhalten müsse.
    Logre versicherte inzwischen, daß die Sektionen bald vollständig organisiert seien. Florent begann, die Rollen zu verteilen. Eines Abends erhob sich Charvet nach einer letzten Diskussion, in der er unterlegen war, nahm seinen Hut und sagte:
    »Schönen guten Abend, und lassen Sie sich den Schädel einschlagen, wenn es Ihnen Spaß macht … Ich mache nicht mit, verstanden! Ich habe niemals für irgend jemandes Ehrgeiz gearbeitet.«
    Clémence legte ihren Schal um und fügte kühl hinzu:
    »Der Plan ist albern.«
    Da Robine mit sehr freundlichem Blick zusah, wie sie hinausgingen, fragte ihn Charvet, ob er nicht mit ihnen gehen wolle. Robine, der noch drei Fingerbreit Bier in seinem Glas hatte, begnügte sich damit, ihnen die Hand zu reichen.
    Das Paar kehrte nicht mehr wieder. Lacaille berichtete eines Tages der Gesellschaft, daß Charvet und Clémence jetzt in einem Bierlokal in der Rue Serpente verkehrten; er habe sie durch ein Fenster gesehen, heftig gestikulierend inmitten einer aufmerksamen Gruppe von sehr jungen Leuten.
    Niemals vermochte Florent Claude zu werben. Eine Weile träumte er davon, ihm seine politischen Ideen zu vermitteln, einen Schüler aus ihm zu machen, der ihn bei seiner revolutionären Aufgabe unterstützt hätte. Um ihn einzuführen, nahm er ihn eines Abends zu Herrn Lebigre mit. Aber Claude verbrachte den ganzen Abend damit, eine Skizze von Robine anzufertigen mit dem Hut und dem kastanienbraunen Mantel, den Bart auf den Knauf des Spazierstocks gestützt. Als er mit Florent fortging, sagte er dann: »Nein, sehen Sie, das interessiert mich nicht, das Ganze, wovon Sie da drin erzählen. Das kann sehr tüchtig sein, aber mir ist das nicht zugänglich … Wahrlich, einen herrlichen Kopf habt ihr da, diesen verdammten Robine. Der muß tief wie ein Brunnen sein, dieser Mann. Ich werde wiederkommen, allerdings nicht wegen der Politik. Ich werde auch von Logre und Gavard Skizzen machen, um alle drei auf ein prächtiges Bild zu bringen, an das ich gedacht habe, als Sie die Frage – wie nannten Sie das? Die Frage der zwei Kammern, nicht wahr? – diskutiert haben … Was? Stellen Sie sich einmal vor: Gavard, Logre und Robine hinter ihren Schoppen verschanzt über Politik sprechend! Das wäre der Erfolg des Salons60, mein Lieber, ein Erfolg, der alles hinhaut, ein wirklich modernes Gemälde!«
    Florent empfand Kummer über seinen politischen Skeptizismus. Er nahm ihn zu sich hinauf und hielt ihn bis zwei Uhr morgens auf dem engen Altan gegenüber den großen bläulich wirkenden Markthallen fest. Er nahm ihn ins Gebet, sagte ihm, er sei kein Mann, wenn er sich so unbekümmert um das Wohl seines Vaterlandes zeige.
    Der Maler schüttelte den Kopf und erwiderte:
    »Sie haben vielleicht recht. Ich bin ein Egoist. Ich kann nicht einmal sagen, daß ich die Malerei zum Ruhm meines Landes ausführe, denn zuerst einmal setzen meine Entwürfe alle Welt in Schrecken, und dann denke ich, wenn ich male, einzig und allein an mein persönliches Vergnügen. Wenn ich male, ist es, als ob ich mich selbst kitzele: meinen ganzen Körper bringt das zum Lachen … Was wollen Sie, man ist nun einmal so gebaut, man kann sich deswegen doch nicht ins Wasser stürzen … Außerdem braucht Frankreich mich nicht, wie meine Tante Lisa sagt … Und gestatten Sie mir, offen zu sein? Also, wenn ich Sie liebe, Sie, so deswegen, weil Sie die Politik genauso betreiben wie ich die Malerei. Sie kitzeln sich, mein Lieber!« Und als der andere

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