Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Einspruch erhob: »Lassen Sie! Sie sind ein Künstler auf Ihrem Gebiet. Sie träumen Politik; ich wette, daß Sie ganze Abende hier verbringen, die Sterne betrachten und in ihnen die Stimmzettel der Unendlichkeit sehen … Kurz und gut, Sie kitzeln sich mit Ihren Ideen von Gerechtigkeit und Wahrheit. Das ist so wahr, daß Ihre Ideen ebenso wie meine Versuche den Bourgeois eine greuliche Angst einjagen … Außerdem, unter uns gesagt, glauben Sie, daß es mir Spaß machen würde, Ihr Freund zu sein, wenn Sie Robine wären? – Ach! Sie großer Dichter, der Sie sind!«
    Darauf scherzte er, indem er sagte, die Politik störe ihn gar nicht; er habe sich schließlich in den Bierlokalen und Ateliers an sie gewöhnt. Bei dieser Gelegenheit erwähnte er ein Café in der Rue Vauvilliers, das Café im Erdgeschoß des Hauses, in dem die Sarriette wohnte. Dieser verräucherte Saal mit dem zerschlissenen Samt auf den Bänken und den von Kaffeerändern gelb gewordenen Marmortischen war der ständige Treffpunkt der hoffnungsvollen Jugend der Markthallen. Dort herrschte Herr Jules über eine Schar von Lastträgern, Ladendienern und Jünglingen in weißen Kitteln und Samtmützen. Da die Favoris aufkamen, trug er zwei Haarsträhnen als Schmachtlocken an die Backen geklebt. Jeden Sonnabend ließ er sich bei einem Friseur in der Rue des DeuxEcus, bei dem er ein Monatsabonnement hatte, den Nacken rund ausrasieren, um den Hals weiß zu haben. Deshalb gab er auch bei diesen Herren den Ton an, wenn er mit einstudierter Anmut Billard spielte, indem er seine Hüften entfaltete, die Arme und Beine krümmte und sich in einer schöngebogenen Pose, die sein Kreuz voll zur Geltung brachte, halb über das Tuch legte. Wenn die Partie beendet war, wurde geplaudert. Diese Schar war sehr reaktionär und sehr mondän eingestellt. Jules las Skandalblättchen. Er kannte das Personal der kleinen Theater, stand mit den Berühmtheiten des Tages auf du und du und wußte Bescheid über Durchfallen oder Erfolg des am Vorabend gespielten Stückes. Aber er hatte eine Schwäche für die Politik. Sein Ideal war Morny, wie er ihn ganz kurz nannte. Er las die Sitzungsberichte des Corps législatif und lachte entzückt über die unbedeutendsten Worte Mornys. Morny, der mache sich über diese Lumpen, diese Republikaner, lustig! Und davon ausgehend, sagte er, einzig elende Kerle verabscheuten den Kaiser, weil der Kaiser das Vergnügen aller anständigen Leute wolle.
    »Ich bin ein paarmal in ihr Café gegangen«, sagte Claude zu Florent. »Sie sind auch reichlich schrullig, die da mit ihren Pfeifen, wenn sie von Hofbällen reden, als ob sie eingeladen gewesen wären … Der Kleine, der mit der Sarriette verkehrt, Sie wissen, hat sich da über Gavard neulich abend hübsch lustig gemacht. Er sagt Onkel zu ihm … Als die Sarriette hinunterging, um ihn zu holen, mußte sie sechs Francs bezahlen, weil er beim Billard die Zeche verloren hatte … Ein nettes Mädchen, diese Sarriette, was?«
    »Sie führen ein schönes Leben«, murmelte Florent lächelnd. »Mit Cadine, der Sarriette und den anderen, nicht wahr?«
    Der Maler zuckte die Achseln.
    »Ach nein, Sie irren sich«, antwortete er. »Ich brauche keine Frauen, ich, das würde mich zu sehr stören. Ich weiß nicht einmal, wozu so was gut ist, eine Frau; ich habe immer Angst gehabt, es zu versuchen … Guten Abend, schlafen Sie wohl. Wenn Sie einmal Minister sind, werde ich Ihnen Ideen zur Verschönerung von Paris vermitteln.«
    Florent mußte darauf verzichten, einen gelehrigen Schüler aus ihm zu machen. Das bekümmerte ihn, denn trotz seiner schönen Fanatikerblindheit spürte er schließlich doch rings um sich die mit jeder Stunde größer werdende Feindseligkeit. Selbst bei den Méhudins fand er eine kühlere Aufnahme. Die Alte lachte hämisch. Murx gehorchte nicht mehr, und die schöne Normande betrachtete ihn mit jäher Ungeduld, wenn sie ihren Stuhl näher an den seinen heranrückte, ohne ihn aus seiner Frostigkeit herauslocken zu können. Einmal sagte sie zu ihm, er mache den Eindruck, als sei sie ihm zuwider; und er fand nur ein verlegenes Lächeln, während sie sich unfreundlich an die andere Seite des Tisches setzte. Augustes Freundschaft hatte er ebenfalls verloren. Der Fleischergeselle kam nicht mehr in seine Stube, wenn er hinauf schlafen ging. Er war sehr über die Gerüchte erschreckt, die über diesen Menschen in Umlauf waren, mit dem er sich vorher bis Mitternacht einzuschließen wagte. Augustine hatte

Weitere Kostenlose Bücher