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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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den Quenus unterhalten, wenn sie sich weiter in Verruf brächten, indem sie Florent bei sich behielten.«
    »Inzwischen behalten sie die Erbschaft«, bemerkte Frau Lecœur.
    »Aber nein, meine Liebe … Der hat seinen Teil weg.«
    »Wirklich? – Woher wissen Sie das?«
    »Bei Gott! Das merkt man doch«, entgegnete die Alte nach kurzem Zögern und ohne einen anderen Beweis zu liefern. »Er hat sogar mehr als seinen Teil genommen. Die Quenus werden mehrere tausend Francs dabei einbüßen … Man muß schon sagen, mit Lastern geht das rasch … Ach! Sie wissen vielleicht nicht: er hatte eine andere Frau …«
    »Das wundert mich nicht«, unterbrach die Sarriette. »Diese dürren Männer sind tüchtige Männer.«
    »Ja, und nicht einmal jung, diese Frau. Sehen Sie, wenn ein Mann welche will, dann will er welche; er würde welche von der Erde auflesen … Madame Verlaque, die Frau von dem früheren Aufseher. Sie kennen sie gut, diese gelbe Person …«
    Aber die beiden andern erhoben laut Einspruch. Das sei ja nicht möglich! Frau Verlaque sei abscheulich.
    Fräulein Saget jedoch ereiferte sich:
    »Wenn ich es Ihnen sage! Sie beschuldigen mich zu lügen, nicht wahr? – Man hat Beweise, man hat Briefe von dieser Frau gefunden, einen ganzen Packen Briefe, in denen sie ihn um Geld angeht, zehn und zwanzig Francs auf einmal. Das ist doch schließlich klar … Die beiden werden den Ehemann haben sterben lassen.«
    Die Sarriette und Frau Lecœur waren überzeugt. Aber allmählich verloren sie die Geduld. Über eine Stunde warteten sie auf dem Bürgersteig. Sie meinten, daß man sie während dieser Zeit vielleicht in ihren Ständen bestehle. Da hielt sie Fräulein Saget mit einer neuen Geschichte fest. Florent könne sich nicht gerettet haben; er müsse zurückkommen, und es wäre sehr interessant zu sehen, wie er verhaftet würde. Und sie gab ihnen kleinste Einzelheiten über die Mausefalle, während die Butterhändlerin und die Obsthändlerin weiterhin das Haus von oben bis unten musterten und nach jeder Öffnung spähten, darauf gefaßt, an jeder Spalte Schutzleutehüte zu sehen. Das stille und stumme Haus badete glückselig in der Morgensonne.
    »Wenn man sagen würde, daß es voller Polizei steckt«, murmelte Frau Lecœur.
    »Sie sind oben in der Mansarde«, sagte die Alte. »Sehen Sie, sie haben das Fenster so gelassen, wie sie es vorfanden … Ah! Gucken Sie, da ist einer auf dem Altan hinter dem Granatapfelbaum versteckt.«
    Sie reckten die Hälse, sie sahen nichts.
    »Nein, das ist der Schatten«, erklärte die Sarriette. »Nicht einmal die kleinen Vorhänge bewegen sich. Sie haben sich wohl alle im Zimmer hingesetzt und rühren sich nicht mehr.«
    In diesem Augenblick gewahrte sie Gavard, der mit nachdenklicher Miene aus der Seefischhalle kam. Sie sahen sich mit leuchtenden Augen an, ohne etwas zu sagen. Sie waren zusammengerückt, standen kerzengerade da in ihren herabfallenden Röcken. Der Geflügelhändler kam auf sie zu.
    »Habt ihr wohl Florent vorbeigehen sehen?« fragte er.
    Sie antworteten nicht.
    »Ich muß ihn sofort sprechen«, fuhr Gavard fort. »Auf dem Fischmarkt ist er nicht. Er muß wieder zu sich hinaufgegangen sein … Ihr hättet ihn doch gesehen.«
    Die drei Frauen waren ein wenig blaß. Sie sahen sich immer noch an mit unergründlicher Miene und einem leichten Zucken um die Mundwinkel.
    »Wir sind noch keine fünf Minuten hier«, sagte Frau Lecœur rundheraus, weil ihr Schwager zögerte. »Er wird vorher vorbeigekommen sein.«
    »Dann gehe ich rauf und riskiere die fünf Treppen«, entgegnete Gavard lachend.
    Die Sarriette machte eine Bewegung, wie um ihn anzuhalten; aber ihre Tante faßte sie am Arm, zog sie zurück und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Laß ihn doch, du Dummkopf! Geschieht ihm ganz recht. Das wird ihn lehren, sich über uns hinwegzusetzen.«
    »Er wird nicht mehr rumerzählen, daß ich verdorbenes Fleisch esse«, murmelte Fräulein Saget noch leiser.
    Dann fügten sie nichts mehr hinzu. Die Sarriette war hochrot; die beiden anderen blieben ganz gelb. Sie wandten jetzt ihre Köpfe ab, belästigt durch ihre Blicke, gehemmt durch ihre Hände, die sie unter ihren Schürzen verbargen. Ihre Augen blickten unwillkürlich zum Hause hoch, verfolgten Gavard durch die Steine hindurch, sahen ihn die fünf Stockwerke emporsteigen. Als sie ihn oben angekommen glaubten, musterten sie einander von neuem mit flüchtigen Blicken von der Seite. Die Sarriette lachte nervös auf. Einen Augenblick schien

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