Der Bauch von Paris - 3
tuschelten miteinander, wenn er vorüberging, und senkten mit tückischen Augen die Nasen. Er vermutete eine neue Behelligung. Seit einiger Zeit hatten ihn diese dicken und schrecklichen Weiber keinen Vormittag mehr in Ruhe gelassen. Als er aber am Stand der Méhudins vorbeikam, war er sehr überrascht zu hören, wie sich die Alte zuckersüß an ihn wandte:
»Herr Florent, vorhin ist jemand nach Ihnen fragen gekommen. Es war ein Herr mittleren Alters. Er ist hinaufgegangen, um Sie in Ihrem Zimmer zu erwarten.« Die alte Fischhändlerin, die breit auf einem Stuhl saß, kostete, als sie diese Dinge sagte, eine raffinierte Rache aus, die ihre unförmige Masse mit einem Zittern bewegte.
Florent, der noch zweifelte, sah die schöne Normande an, die, mit ihrer Mutter wieder völlig ausgesöhnt, den Wasserhahn öffnete, auf ihre Fische klatschte und nicht zu hören schien. »Sie sind ganz sicher?« fragte er.
»Oh, ganz und gar sicher, nicht wahr, Louise?« entgegnete Mutter Méhudin mit schärferer Stimme.
Er nahm an, daß es sich zweifellos um die große Sache handele, und entschloß sich, hinaufzugehen. Als er sich beim Verlassen der Halle mechanisch noch einmal umdrehte, gewahrte er die schöne Normande, die ihm mit todernstem Gesicht nachblickte. An den drei Klatschbasen ging er vorbei.
»Ist Ihnen aufgefallen«, flüsterte Fräulein Saget, »der Fleischerladen ist leer. Die schöne Lisa ist keine Frau, die sich bloßstellt.«
Es stimmte, der Fleischerladen war leer. Das Haus wahrte seine besonnte Fassade, sein seliges Aussehen eines guten Hauses, das sich ehrbar in den ersten Strahlen den Bauch wärmt. Oben auf dem Altan stand der Granatapfelbaum in voller Blüte. Als Florent den Fahrdamm überquerte, nickte er freundschaftlich Logre und Herrn Lebigre zu, die auf der Schwelle des Lokals Luft zu schöpfen schienen. Die Herren lächelten ihm zu. Er schickte sich an, in den Hausflur zu gehen, als er am Ende dieses schmalen und finsteren Ganges Augustes bleiches Gesicht, das jäh verschwand, zu gewahren glaubte. Da ging er wieder zurück und warf einen kurzen Blick in die Fleischerei, um sich zu vergewissern, daß der Herr mittleren Alters nicht dort wartete. Aber er sah nur Mouton, der mit seinem Doppelkinn und seinem großen struppigen Schnurrbart eines argwöhnischen Katers auf einem Hauklotz saß und ihn aus seinen geschwollenen gelben Augen betrachtete. Als er sich entschlossen hatte, in den Hausflur zu treten, zeigte sich hinter dem kleinen Vorhang einer Glastür das Gesicht der schönen Lisa im Hintergrund.
Es lag gleichsam ein Schweigen über dem Fischmarkt. Die ungeheuren Bäuche und Busen hielten den Atem an, warteten, bis er verschwunden war. Dann quoll alles über, die Brüste breiteten sich aus, die Bäuche platzten vor böser Freude. Der Schabernack war geglückt. Nichts war spaßiger. Die alte Méhudin lachte mit dumpfen Erschütterungen wie ein voller Schlauch, der geleert wird. Ihre Geschichte von dem Herrn mittleren Alters machte die Runde durch den Markt und erschien diesen Damen ungemein spaßig. Endlich war der lange Dürre eingewickelt; man würde seine jämmerliche Miene, seine Sträflingsaugen nicht mehr immerzu dahaben. Alle wünschten ihm gute Reise und rechneten auf einen Aufseher, der ein schöner Mann war. Sie liefen von einem Stand zum andern, und am liebsten hätten sie rings um ihre Steine getanzt wie ausgelassene Mädchen. Die schöne Normande stand ganz aufgeregt da, betrachtete diese Freude, wagte, aus Angst zu weinen, sich nicht zu rühren und legte die Hände auf einen großen Rochen, um ihr Fieber zu beruhigen.
»Sehen Sie nur diese Méhudins, die ihn fallenlassen, wo er keinen Sou mehr besitzt«, sagte Frau Lecœur.
»Sieh mal an, Sie haben recht«, antwortete Fräulein Saget.
»Außerdem, meine Liebe, das ist das Ende, nicht wahr? Man soll einander nicht mehr auffressen … Sie sind zufrieden, Sie. Lassen Sie die anderen ihre Sache in Ordnung bringen.«
»Aber nur die alten Weiber lachen«, bemerkte die Sarriette.
»Die Normande sieht nicht lustig aus.«
Inzwischen hatte sich Florent in seiner Stube wie ein Lamm festnehmen lassen. Die Polizisten warfen sich voller Roheit auf ihn, weil sie sicher mit einem verzweifelten Widerstand rechneten. Er bat sie sanft, ihn loszulassen. Dann setzte er sich hin, während die Männer die Papiere, die roten Schärpen, die Armbinden und Banner einpackten. Dieser Ausgang schien ihn nicht zu überraschen; es war eine Erlösung für ihn,
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