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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Stimmen; und sein Geld war es, das die Gegenpartei bildete.
    Mit einem Freudenschrei hatte die Sarriette die Hände ausgestreckt.
    »Klauen weg, meine Kleine!« sagte Frau Lecœur mit heiserer Stimme.
    Sie war noch gelber im Widerschein des Goldes, das Gesicht von der Galle marmoriert, die Augen verbrannt von der Leberkrankheit, die sie heimlich untergrub. Hinter ihr stellte sich Fräulein Saget auf die Zehenspitzen und blickte verzückt bis auf den Boden des Schrankes. Auch Frau Léonce war aufgestanden und kaute unverständliche Worte.
    »Mein Onkel hat zu mir gesagt, ich soll alles nehmen«, erklärte die junge Frau rundheraus.
    »Und ich, die ich diesen Mann gepflegt habe, ich soll also nichts bekommen«, schrie die Concierge.
    Frau Lecœur benahm es den Atem; sie stieß die anderen zurück, klammerte sich an den Schrank und stammelte:
    »Das ist mein Eigentum, ich bin seine nächste Verwandte, ihr seid Diebinnen, versteht ihr! – Lieber werfe ich alles zum Fenster hinaus.«
    Ein Schweigen trat ein, währenddessen sich alle vier mit scheelen Blicken betrachteten. Das Seidentuch der Sarriette war jetzt ganz aufgegangen, und sie ließ ihre vor Leben anbetungswürdige Brust sehen, den feuchten Mund, die rosigen Nüstern. Frau Lecœur wurde noch finsterer, als sie sie so schön in ihrer Begierde sah.
    »Höre«, sagte sie mit dumpfer Stimme, »wir wollen uns nicht schlagen … Du bist seine Nichte, ich will gern teilen … Wir werden abwechselnd eine Rolle nach der anderen herausnehmen.«
    Da schoben sie die beiden anderen beiseite. Die Butterhändlerin begann. Die Rolle verschwand in ihren Röcken. Dann nahm die Sarriette ebenfalls eine Rolle. Sie überwachten sich gegenseitig, bereit, einander auf die Hände zu klopfen. Regelmäßig streckten sich ihre Finger aus, furchtbare und knotige Finger und weiße Finger von seidiger Geschmeidigkeit. Sie füllten sich die Taschen. Als nur noch eine einzige Rolle übriggeblieben war, wollte die junge Frau nicht, daß ihre Tante sie bekomme, denn die hatte angefangen. Sie teilte sie jäh zwischen Fräulein Saget und Frau Léonce, die mit Fiebergetrippel zugesehen hatten, wie sie sich das Gold einsteckten.
    »Danke«, brummte die Concierge, »fünfzig Francs dafür, daß ich ihn mit Gesundheitstee und Kraftbrühe verhätschelt habe! Er sagte, er habe keine Verwandten, der alte Schwindler.«
    Frau Lecœur wollte den Schrank von oben bis unten durchsuchen, bevor sie ihn wieder zuschloß. Er enthielt alle politischen Bücher, deren Einfuhr verboten war, die Brüsseler Schmähschriften, Skandalgeschichten über die Bonapartes, ausländische Karikaturen, die den Kaiser lächerlich machten. Ein Heidenspaß war es für Gavard, sich manchmal mit einem Freund einzuschließen, um ihm diese gefährlichen Dinge zu zeigen.
    »Er hat mir ja aufgetragen, die Papiere zu verbrennen«, bemerkte die Sarriette.
    »Bah! Wir haben kein Feuer, das würde zu lange dauern … Ich wittere die Polizei. Wir müssen uns aus dem Staube machen.«
    Und sie gingen alle vier. Sie waren noch nicht am Fuß der Treppe angelangt, als sich die Polizei einstellte. Frau Léonce mußte wieder hinaufgehen, um die Herren zu begleiten. Die drei anderen zogen die Schultern ein und beeilten sich, auf die Straße zu gelangen. Sie gingen rasch hintereinander, die Tante und die Sarriette von dem Gewicht ihrer vollen Taschen behindert. Die Sarriette, die voranschritt, drehte sich um, als sie wieder auf den Bürgersteig der Rue Rambuteau kamen, und sagte mit ihrem lieblichen Lachen: »Das schlägt mir gegen die Schenkel.«
    Frau Lecœur ließ eine Unflätigkeit los, die ihnen Spaß machte. Sie kosteten den Genuß aus, dieses Gewicht zu fühlen, daß ihnen die Röcke herunterzog, das sich wie von Liebkosungen heiße Hände an sie hängte.
    Fräulein Saget hatte die fünfzig Francs in ihrer geschlossenen Faust gehalten. Sie blieb ernst und schmiedete einen Plan, um noch etwas aus diesen dicken Taschen herauszuziehen, denen sie folgte. Als sie sich wieder an der Ecke des Fischmarktes befanden, sagte die Alte:
    »Sieh mal an! Wir kommen gerade im richtigen Augenblick zurück; da ist der Florent, der sich gleich schnappen lassen wird.«
    Wirklich kehrte Florent von seinem langen Gang zurück. Er ging in sein Bureau, um den Überrock zu wechseln, und machte sich an seine tägliche Verrichtung, überwachte das Abwaschen der Steine und wanderte langsam die Gänge entlang. Ihm war, als sähe man ihn sonderbar an; die Fischhändlerinnen

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