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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Rue Pirouette gerade in dem Augenblick an, als der Kommissar wieder in den Hausflur der QuenuGradelles eintrat. Sie begriff und betrat mit so leuchtenden Augen den Fleischerladen, daß Lisa ihr mit einer Handbewegung Schweigen gebot, wobei sie auf Quenu zeigte, der Streifen von gekochtem Pökelfleisch aufhängte. Als er wieder in die Küche zurückgegangen war, erzählte die Alte mit halber Stimme das Drama, das sich soeben bei den Méhudins abgespielt hatte. Über den Ladentisch gebeugt, die Hand auf einer Schüssel mit gespicktem Kalbsbraten, hörte die schöne Lisa mit dem glückstrahlenden Gesichtsausdruck einer triumphierenden Frau zu. Als eine Kundin zwei Schweinsfüße verlangte, wickelte sie sie mit nachdenklicher Miene ein.
    »Ich, ich bin der Normande nicht böse«, sagte sie schließlich zu Fräulein Saget, als sie wieder allein waren. »Ich hatte sie sehr gern. Ich habe es bedauert, daß man uns miteinander verfeindet hat … Sehen Sie, der Beweis, daß ich nicht gehässig bin, ist, daß ich dies vor den Händen der Polizei gerettet habe, und ich bin völlig bereit, es ihr zurückzugeben, wenn sie selber kommt, mich darum zu bitten.« Sie zog das Postkartenbildnis aus ihrer Tasche.
    Fräulein Saget beschnupperte es und grinste, als sie las: »Louise ihrem lieben Freund Florent«, und meinte dann mit ihrer schrillen Stimme:
    »Vielleicht haben Sie unrecht. Sie sollten das aufheben.«
    »Nein, nein«, unterbrach Lisa, »ich möchte, daß alles Getratsche aufhört. Heute ist Versöhnungstag. Es ist nun genug. Das Viertel muß wieder ruhig werden.«
    »Nun gut! Wollen Sie, daß ich der Normande sagen gehe, Sie erwarten sie?« fragte die Alte.
    »Ja, Sie werden mir ein Vergnügen bereiten.«
    Fräulein Saget ging in die Rue Pirouette zurück und jagte der Fischhändlerin einen mächtigen Schreck ein, als sie ihr erzählte, daß sie soeben ihre Fotografie in Lisas Tasche gesehen habe. Aber sie konnte sie nicht sofort zu dem Schritt bewegen, den ihre Rivalin verlangte. Die Normande stellte ihre Bedingungen; sie würde hingehen, nur solle ihr die Fleischersfrau zur Begrüßung bis zur Ladenschwelle entgegenkommen. Die Alte mußte noch zweimal den Weg von der einen zur anderen machen, bis alle Punkte der Zusammenkunft geregelt waren. Endlich hatte sie die Freude, bei dieser Aussöhnung zu unterhandeln, die nun so viel Aufsehen erregen würde. Als sie das letzte Mal an Claires Tür vorbeiging, hörte sie immer noch das Geräusch der Schere im Gips.
    Als sie dann der Fleischersfrau eine endgültige Antwort überbracht hatte, beeilte sie sich, Frau Lecœur und die Sarriette herbeizuholen. Sie stellten sich alle drei an der Ecke der Seefischhalle auf dem Bürgersteig gegenüber der Fleischerei auf. Dort konnte ihnen nichts von der Zusammenkunft entgehen. Sie wurden ungeduldig, taten, als plauderten sie unter sich, während sie in die Rue Pirouette spähten, von wo die Normande herkommen mußte. Schon war in den Markthallen das Gerücht von der Versöhnung in Umlauf; die Händlerinnen standen kerzengerade an ihren Ständen, machten sich größer und versuchten zu sehen. Andere, die neugieriger waren, verließen ihren Platz, kamen sogar herzu und pflanzten sich in der überdachten Straße auf. Alle Augen der Markthallen wandten sich dem Fleischerladen zu. Das ganze Viertel war in Erwartung.
    Es war feierlich. Als die Normande aus der Rue Pirouette herauskam, stockte allen der Atem.
    »Sie trägt ihre Brillanten«, murmelte die Sarriette.
    »Sehen Sie doch, wie sie schreitet«, fügte Frau Lecœur hinzu. »Sie ist zu unverschämt.«
    In der Tat schritt die Normande wie eine Königin, die den Frieden anzunehmen geruht. Sie hatte eine sorgfältige Toilette gemacht, ihr gekräuseltes Haar frisiert und hob einen Schürzenzipfel hoch, um ihren Kaschmirrock sehen zu lassen; sogar eine sehr kostbare Spitzenschleife hatte sie zum ersten Mal angelegt. Da sie fühlte, wie die Markthallen sie aufs Korn nahmen, warf sie sich, als sie sich der Fleischerei näherte, noch mehr in die Brust. Vor der Tür blieb sie stehen.
    »Jetzt ist die schöne Lisa an der Reihe«, sagte Fräulein Saget. »Passen Sie gut auf.«
    Lächelnd kam die schöne Lisa hinter dem Ladentisch hervor. Sie durchquerte, ohne sich zu beeilen, den Laden und streckte der schönen Normande die Hand hin. Sie war ebenfalls ganz gediegen mit ihrer blendenden Wäsche, ihrem großartigen Ausdruck von Sauberkeit. Ein Gemurmel lief durch den Fischmarkt. Alle Köpfe auf dem

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