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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Abendbrot verzehrten. Diese Straßenkinder fanden Mittel und Wege, sich nach Schluß der Gittertore in den Kellern zu verstecken und dort zu hausen.
    »Was für ein Stück Vieh, was für ein schönes Stück Vieh!« sagte Claude mehrmals von Marjolin mit neidischer Bewunderung. »Und zu denken, daß dieses Tier glücklich ist! – Wenn sie ihre Äpfel aufgegessen haben, werden sie sich zusammen in einem der großen Körbe voller Federn da schlafen legen. Das ist doch wenigstens ein Leben! – Tatsächlich, Sie haben recht, in der Fleischerei zu bleiben; dabei werden Sie vielleicht fett.«
    Unvermittelt ging er davon.
    Florent stieg wieder zu seiner Mansardenstube hinauf, verwirrt durch diese nervöse Unruhe, die seine eigene Unschlüssigkeit wieder erwachen ließ. Am folgenden Tag vermied er es, den Vormittag in der Fleischerei zu verbringen. Er machte einen langen Spaziergang längs der Quais. Beim Mittagessen jedoch ließ er sich wieder von Lisas schmelzender Süße fangen. Sie sprach, ohne allzusehr in ihn zu dringen, wieder zu ihm von dem Aufseherposten in der Seefischhalle, wie von etwas, das doch erwogen zu werden verdiente. Vor seinem vollen Teller hörte er ihr zu, wider Willen eingenommen von der andächtigen Sauberkeit des Eßzimmers. Weich lag unter seinen Füßen die Strohmatte; das Glänzen der kupfernen Ampel, das zarte Gelb der Tapete und des hellen Eichenholzes der Möbel durchdrangen ihn mit dem Gefühl, im Wohlstand sei Ehrbarkeit, das seine Auffassungen von falsch und richtig verwirrte. Aber noch hatte er die Kraft, abzulehnen, indem er seine Gründe wiederholte, wenn er sich auch der Geschmacklosigkeit bewußt war, die darin bestand, an einem solchen Ort seinen Starrsinn und seinen Groll rücksichtslos zur Schau zu stellen. Lisa wurde nicht böse; im Gegenteil, sie lächelte mit ihrem schönen Lächeln, das Florent mehr in Verlegenheit brachte als die dumpfe Gereiztheit am Tage vorher. Bei der Abendmahlzeit sprach man nur von dem großen Einpökeln für den Winter, das bald das ganze Personal der Fleischerei auf den Beinen halten würde.
    Die Abende wurden kühl. Gleich nach dem Essen ging man in die Küche hinüber. Dort war es sehr warm. Sie war so geräumig, daß es sich mehrere Personen an dem viereckigen Tisch, der in der Mitte stand, bequem machen konnten, ohne der Arbeit hinderlich zu sein. Die Wände des mit Gas beleuchteten Raumes waren in Mannshöhe mit weißen und blauen Kacheln bekleidet. Links stand der gußeiserne Herd mit drei Kochstellen, in denen drei bauchige Kessel mit ihren vom Steinkohlenruß geschwärzten Böden staken. An einem Ende diente ein kleiner, auf einen Backofen aufgebauter und mit einer Räucherkammer versehener Kamin zum Rösten; und über dem Herd befanden sich oberhalb der Schaumlöffel, der Schöpfkellen und der langstieligen Gabeln in einer Reihe numerierter Schubfächer fein und grob geriebene Brotrinde, Brotkrümel zum Panieren, Gewürze, Nelken, Muskat und Pfeffer nebeneinander. Rechts stand wuchtig der Hacktisch, ein riesiger, gegen die Wand gelehnter Eichenblock, zernarbt und ausgehöhlt, während mehrere an dem Block befestigte Geräte, eine Wurstspritze, eine Füllmaschine, ein mechanischer Fleischwolf, mit ihren Getrieben und Kurbeln die geheimnisvolle und beängstigende Vorstellung einer Höllenküche aufkommen ließen. Außerdem häuften sich überall rings an den Wänden, auf Borden und sogar unter den Tischen Töpfe, Terrinen, Eimer, Schüsseln, Geräte aus Weißblech, Batterien von tiefen Kasserollen, breiten Trichtern, Ständer mit Messern und Hackmessern, Reihen von Spicknadeln und Nadeln – eine ganze in Fett getauchte Welt. Trotz der übermäßigen Sauberkeit quoll das Fett über, schwitzte zwischen den Kacheln hervor, bohnerte die roten Fliesen des Fußbodens, gab der Eisenplatte des Herdes einen grauen Widerschein, polierte die Ränder des Hacktisches auf den Glanz und das Schimmern lasierten Eichenholzes. Und inmitten dieses Tropfen für Tropfen zusammengeballten Brodems, dieser ständigen Verdampfung aus drei Kesseln, in denen die Schweine schmolzen, war gewiß vom Fußboden bis zur Decke kein Nagel, der nicht Fett auspißte.
    Die QuenuGradelles stellten alles bei sich im Hause her. Von außen bezogen sie nur Gerichte berühmter Firmen: feingehacktes, in Schmalz gebackenes Schweinefleisch, Konserven in Gläsern, Sardinen, Käse und Weinbergschnecken. Im September handelte es sich infolgedessen darum, den Keller zu füllen, der während des

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