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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Spaß macht, abgeschlagene Köpfe zu sehen. Rings um die Halle floß es rot in den Rinnsteinen; hierein tauchten sie die Fußspitze und stießen sie Blätterhaufen, die sie stauten und so blutige Lachen ausbreiteten. Die Anfuhr des Geschlachteten in stinkenden, zweirädrigen Wägelchen, die mit viel Wasser gewaschen wurden, zog ihre Aufmerksamkeit an. Sie sahen zu, wie Packen von Hammelfüßen abgeladen und gleich schmutzigen Pflastersteinen auf dem Erdboden aufgeschichtet wurden, große steife Zungen, die die blutenden Rißstellen vom Schlund zeigten, feste Ochsenherzen, die wie verstummte Glocken ausgehakt waren. Was ihnen vor allem aber einen Schauer über die Haut jagte, waren die großen blutschwitzenden Körbe voller Hammelköpfe mit den schmierigen Hörnern und dem schwarzen Maul, von deren noch lebendem Fleisch wollige Fellfetzen herunterhingen; die beiden träumten von einer Guillotine, die die Köpfe unendlicher Herden in diese Körbe schleuderte. Sie folgten den Körben bis tief in den Keller die auf die Stufen der Treppe gelegten Schienen entlang und hörten das Kreischen der Rädchen dieser aus Korbgeflecht bestehenden Wagen, die wie eine Säge pfiffen. Unten herrschte ein köstliches Grauen. Sie kamen in einen Beinhausgeruch, gingen inmitten von düsteren Pfützen, in denen sich hier und da Purpuraugen zu entzünden schienen. Ihre Sohlen klebten; sie platschten besorgt und entzückt über diesen schrecklichen Dreck. Die Gaslampen hatten niedrige Flammen, blutunterlaufene, zuckende Augenlider. Rings um die Wasserleitungen näherten sie sich im fahlen Licht der Kellerluken den Schraubstöcken. Dort genossen sie es, den Kuttlern zuzusehen, wie sie in den von Spritzern steif gewordenen Schürzen die Hammelköpfe einen nach dem andern mit einem einzigen Schlegelhieb spalteten. Und stundenlang blieben sie da und warteten, bis alle Körbe leer waren, wurden zurückgehalten von dem Krachen der Knochen und wollten bis zum Schluß sehen, wie die Zungen herausgerissen und die Gehirne aus den zersplitterten Schädeln gelöst wurden. Manchmal kam hinter ihnen ein Wächter und reinigte den Keller mit dem Schlauch. Breite Wasserfälle prasselten mit dem Lärm einer Schleuse; der rauhe Strahl aus dem Schlauch scheuerte die Fliesen wund, ohne weder den Rost noch den Blutgestank wegnehmen zu können.
    Gegen Abend zwischen vier und fünf Uhr waren Cadine und Marjolin sicher, Claude bei den Großverkaufsständen für Rinderlungen zu treffen. Dort stand er inmitten der mit dem Hinterteil an den Bürgersteig geschobenen Wagen der Kuttler unter der Menge von Männern in kurzen blauen Kitteln und weißen Schürzen, wurde herumgestoßen, und die Ohren zerrissen ihm bei den mit lauter Stimme vorgebrachten Angeboten; aber er spürte die Ellbogenstöße nicht einmal, er verharrte in Verzückung angesichts der großen, an den Haken der Versteigerungshalle hängenden Lungen. Oft erklärte er Cadine und Marjolin, daß es nichts Schöneres gäbe. Die Lungen waren von einem zarten Rosa, das allmählich kräftiger wurde und unten von lebhaftem Karminrot umrändert war; und er sagte, sie seien von schimmerndem Atlas, und fand kein Wort, um diese seidige Lieblichkeit zu schildern, diese langen kühlen Gänge, diese Fleischstücke, die in breiten Falten wie aufgehängte Röcke von Tänzerinnen herabfielen. Er sprach von Gaze, von Spitze, die die Hüfte einer schönen Frau sehen läßt. Wenn ein auf die großen Lungen fallender Sonnenstrahl einen Gürtel aus Gold um sie legte, gingen Claude vor Wonne die Augen über, und er war glücklicher, als hätte er die Nacktheit griechischer Göttinnen und die Brokatgewänder romantischer Burgfrauen an sich vorüberziehen sehen.
    Der Maler wurde der große Freund der beiden Straßenkinder. Er liebte schönes Vieh. Lange Zeit träumte er von einem Kolossalgemälde, wie sich Cadine und Marjolin inmitten der Markthallen in den Gemüsen, im Seefisch und im Fleisch liebten. Er hätte sie auf ein Bett von Nahrung gesetzt, die Arme einander um die Hüften gelegt und den idyllischen Kuß tauschend. Und er sah darin ein künstlerisches Manifest, den Positivismus der Kunst, die moderne, ganz und gar experimentelle und materialistische Kunst; er sah außerdem darin eine Satire auf die idealistische Malerei, eine den alten Schulen versetzte Ohrfeige. Aber seit ungefähr zwei Jahren begann er immer wieder Entwürfe, ohne den richtigen Ton zu finden. Ein Dutzend Bilder vernichtete er. Er behielt einen großen

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