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Der Bauch von Paris - 3

Der Bauch von Paris - 3

Titel: Der Bauch von Paris - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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aus der Tür der Hauch mitten ins Gesicht wehte. Und sie gingen rasch zur Rue PierreLescot und zur Rue Rambuteau zurück. Cadine schwärmte für Eingesalzenes; in Verwunderung verweilte sie vor den Packen Bücklingen, den Fässern mit Anschovis und Kapern, den Tonnen mit Pfeffergurken und Oliven, in denen Holzlöffel staken. Der Essiggeruch juckte ihr köstlich in der Kehle. Die Herbheit der gerollten Schellfische und der Räucherlachse, des Specks und der Schinken, die säuberliche Würze der Körbe mit Zitronen ließen sie ein kleines Endchen ihrer von Appetit feuchten Zunge auf den Rand der Lippen legen; und sie liebte es auch, die Sardinenbüchsen zu sehen, die inmitten der Säcke und Kisten verzierte Metallhauben bildeten. In der Rue Montorgueil und der Rue Montmartre gab es außerdem recht schöne Kolonialwarengeschäfte, Restaurants, deren Kellerluken gut rochen, ergötzliche Auslagen von Geflügel und Wild, Konservenhändler, an deren Türen eingeschlagene Fässer überquollen von gelbem Sauerkraut, das ausgefranst war wie alte Gipürestickereien. In der Rue Coquillière aber vergaßen sie die Zeit im Trüffelgeruch. Dort befand sich ein großes Nahrungsmittelgeschäft, das bis auf die Straße einen solchen Wohlduft ausatmete, daß Cadine und Marjolin die Augen schlossen und sich einbildeten, all die guten Sachen zu schlucken. Claude war verwirrt; er sagte, daß ihn das untergrabe. Er ging lieber durch die Rue Oblin noch einmal die Getreidehalle sehen, betrachtete eingehend die Salathändlerinnen in den Haustoren und das auf dem Bürgersteig ausgestellte Steingutgeschirr und ließ »die beiden Stück Vieh« im Trüffeldunst, dem schärfsten Dunst des Viertels, weiter herumschlendern.
    Das waren die großen Rundreisen. Wenn Cadine allein ihre Veilchensträußchen spazierentrug, machte sie Abstecher und besuchte besonders bestimmte Geschäfte, die sie gern hatte. Vor allem hegte sie eine lebhafte Zuneigung für die Bäckerei Taboureau, wo ein ganzes Schaufenster den Konditoreiwaren vorbehalten war. Sie ging die Rue Turbigo entlang und kehrte zehnmal zurück, um an den Mandelkuchen, den Napoleonschnitten, den Savarinkuchen, den Tortenböden, den Obsttorten, den Tellern mit Napfkuchen, Liebesknochen und Windbeuteln mit Schlagsahne vorbeizugehen; außerdem wurde sie gerührt durch die Gläser mit Teegebäck, Makronen und Rumschnitten. In der sehr hellen Bäckerei mit ihren breiten Spiegeln, ihrem Marmor, ihren Vergoldungen, ihren schmiedeeisernen Brotregalen, ihrem zweiten Schaufenster, wo lange Reihen glänzender Brote schräg mit der Spitze auf einer Kristallplatte standen und oben von einer Messingleiste gehalten wurden, herrschte eine angenehme Wärme von gebackenem Teig, die Cadine aufblühen ließ, wenn sie der Versuchung nachgab und eintrat, um für zwei Sous eine Brioche38 zu kaufen. Gegenüber dem Square des Innocents verursachte ihr ein anderer Laden naschhafte Neugier, eine Glut unerfüllter Wünsche. Es war ein Fleischpastetenspezialgeschäft. Sie blieb stehen in der Betrachtung der gewöhnlichen Pasteten, der Hechtpasteten, der mit Trüffeln gefüllten Gänseleberpasteten, und träumend verweilte sie dort und sagte sich, eines Tages müsse sie schließlich welche essen.
    Aber Cadine hatte auch Stunden der Koketterie. Dann kaufte sie sich herrliche Toiletten aus den Auslagen der Fabriques de France, die die Pointe Saint Eustache mit riesigen Bahnen Stoff beflaggten, die vom Zwischenstock bis auf den Bürgersteig herabhingen und flatterten. Ein bißchen behindert durch ihr Körbchen, stand sie da zwischen den Marktweibern in schmutzigen Schürzen vor diesen zukünftigen Sonntagstoiletten und befühlte die Wolle, den Flanell, die Baumwolle, um sich von der Griffigkeit und Schmiegsamkeit des Stoffes zu überzeugen. Sie versprach sich ein Kleid aus einem auffallenden Flanell, aus Baumwolle mit Rankenmuster oder aus scharlachroter Popeline. Manchmal wählte sie sogar in den Schaufenstern unter den Stoffresten, die die Hand der Handlungsgehilfen gefaltet und vorteilhaft hingelegt hatte, eine himmelblaue oder apfelgrüne zarte Seide aus, die sie mit rosa Bändern zu tragen träumte. Am Abend ging sie in die Rue Montmartre, um sich das Flimmern der großen Juwelierläden ins Gesicht werfen zu lassen. Diese schreckliche Straße betäubte sie mit ihren endlosen Wagenreihen, versetzte ihr mit ihrem unausgesetzten Menschenstrom Ellbogenstöße, ohne daß sie von der Stelle wich, die Augen erfüllt von diesem

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