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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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nicht die Art von Tätigkeit, die er sich erhofft hatte.
    »Ich habe bereits sehr viel in Archiven gearbeitet und…«
    »In den Archiven fehlt es nicht an Männern, und die Schreiber dort erledigen ihre Arbeit zu meiner vollsten Zufriedenheit. Hat dir General Sepi etwa nicht beigebracht, wie man einen Getreidespeicher verwaltet?«
    »Doch, nichts wurde ausgelassen, und ich danke Euch für Euer Vertrauen.«
    »Hier geht es nur um Tatsachen, mein Junge! Entweder bist du dazu in der Lage, oder du bist es nicht. Trifft Ersteres zu, dürfte Kahun für dich das Paradies sein; andernfalls kehrst du sehr schnell dorthin zurück, wo du hergekommen bist.«
    »Ich hoffe sehr, dass ich Eure Erwartungen nicht enttäusche. Aber da ist noch etwas, worauf ich bestehen muss.«
    »Worum geht es?«
    »Es geht um meinen Esel. Er ist mein Gefährte, und ich möchte ihn wiederhaben.«
    »Mit deinem Gehalt kannst du dir leicht einen anderen kaufen!«
    »Ihr versteht mich nicht. Nordwind ist etwas ganz Besonderes. Ich habe ihm das Leben gerettet, und er ist mein Berater.«
    »Was, ein Esel ist dein Berater?«
    »Er kann die Fragen beantworten, die ich ihm stelle. Mit ihm bin ich erfolgreich, ohne ihn bringe ich nichts zustande.«
    »Weißt du denn wenigstens, wo dieser Esel ist?«
    »Vermutlich in der Nähe von dem Gefängnis, in das ich gesperrt war.«
    »Hier sind ein paar Zeilen, mit denen du ihn dir zurückholen kannst. Mein Verwalter zeigt dir jetzt, wo deine Dienstwohnung ist.«
    Iker verneigte sich ehrerbietig.
    »Hat dir General Sepi von den großen Schreibern erzählt, die das Geheimnis der Schöpfung durchschaut haben?«
    »Meines Wissens gehören Zuhören, Verstand und Selbstbeherrschung zu den unerlässlichen Eigenschaften, wenn einem das gelingen will.«
    »Du hattest einen ausgezeichneten Lehrer! Dennoch dürfen wir deine Ausrüstung nicht vergessen.«
    »Wollt Ihr mir mein Schreibwerkzeug nicht zurückgeben?«
    »Doch, natürlich! Ich meine eine andere Ausrüstung, nämlich die Sätze, die man dazu braucht, um Türen zu durchschreiten, vom Fährmann die Barke zu bekommen oder dem großen Netz zu entgehen, das die Seelen der schlechten Reisenden einfängt.«
    »Und wie kann ich es erlernen?«
    »Das musst du selbst herausfinden, mein Junge! Die Lehrzeit ist eine Sache, der Beruf eine andere. Heißt es nicht, die besten Künstler machen sich ihr Werkzeug selbst?«
     
     
    Einigermaßen verwirrt, verließ Iker Kahun, weil er zu dem Gefängnis wollte. Warum hatte der Stadtvorsteher so rätselhafte Dinge zu ihm gesagt? Wieso enthüllte er ihm das Vorhandensein eines unerreichbaren Wissens? Wie General Sepi und Provinzfürst Djehuti, verbarg auch er sich hinter einer Maske. Doch diese neue Prüfung entmutigte Iker nicht – ganz im Gegenteil. Sollte man ihm wirklich Hilfe anbieten, würde er sie annehmen, damit er nicht unterging. Handelte es sich aber nur um Trugbilder, würde er sie zerstreuen.
    Auf der Schwelle zum Gefängnis saß ein Wächter mit überkreuzten Armen und schlief.
    Iker klopfte ihm auf die Schulter, und der Mann fuhr erschrocken hoch.
    »Was willst du?«
    »Ich will meinen Esel holen.«
    »Ist das etwa ein Tier mit einem Schädel, der härter ist als Granit, und einem unbeugsamen Blick?«
    »Die Beschreibung könnte passen.«
    »Schau her, was er mir getan hat! Und er hat noch drei andere Wachen verletzt, indem er getreten, ausgeschlagen und gebissen hat!«
    »Das ist immer so, er hört nur auf mich. Lass ihn los.«
    »Zu spät.«
    »Was soll das heißen, zu spät?«, fragte Iker entsetzt.
    »Unser Anführer hat beschlossen, dass wir dieses Ungeheuer töten müssen. Nicht weniger als zehn Mann waren nötig, um ihn zu fesseln.«
    »Wo hat man ihn hingebracht?«
    »Ich glaube, irgendwo hinter das Gefängnis.«
    Iker lief so schnell er konnte.
    Nordwind lag auf der Seite, seine Hufe waren mit Seilen an Pflöcke gefesselt. Ein Ritualist hob gerade das Opfermesser.
    »Aufhören!«, brüllte Iker.
    Alles drehte sich um, und der Esel schrie voller Hoffnung.
    »Dieses Tier ist gefährlich«, beharrte der Ritualist. »Wir müssen die bösen Mächte aus ihm vertreiben.«
    »Der Esel gehört mir.«
    »Hast du etwa ein Schreiben, womit du diese Behauptung beweisen kannst?«, fragte der Offizier spöttisch.
    »Ich hoffe, dieses hier, das die Unterschrift des Stadtvorstehers von Kahun trägt, genügt Euch?«
    Der Wachmann musste schließlich klein beigeben.
    Iker entriss dem Ritualisten das Messer und befreite seinen

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