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Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Ungewöhnliches entdecken.
    »Hat jemand versucht, sich dem Grab zu nähern?«
    »Nein, niemand.«
    »Gab es irgendeinen Zwischenfall, und sei er noch so klein?«
    »Nein, keinen.«
    Dieser Wächter war so zuverlässig, dass sich der Träger der goldenen Palette keinerlei Sorgen machen musste. Unnachgiebig und streng wie er war, öffnete er die Tür zu diesem heiligen Ort ausnahmslos nur auf Befehl dessen, der das Mysterienritual von Abydos leitete.
    Nun musste der Greis nur noch den Kahlen befragen, der im Haus des Lebens die Archive der Bibliothek befragte. Er wurde nicht müde, die alten Rituale zu studieren, und fand in ihnen immer wieder machtvolle Schriften, die dann in das alljährliche Ritual eingingen.
    Der Hohepriester hielt sich sehr gern an diesem Ort auf, der erfüllt war von den harmonischen Schwingungen, welche die auf Papyrus verewigten Gedanken der Weisen erzeugten. Außerdem roch es dort angenehm nach Vergangenheit und der guten alten Zeit.
    »Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich Euch bitte, nicht so viel zu arbeiten«, brummelte der Kahle, dessen Neigung zum Jähzorn mit dem Alter nicht nachgelassen hatte.
    »Richtig, das hat wenig Sinn. Hattest du in den letzten Tagen Besuch?«
    »Nein, außer Euch habe ich niemanden eingelassen. Wenn ich arbeiten muss, und vor allem wenn ich an so schwierigen Dingen wie der Steuerung der heiligen Barke arbeite, möchte ich nicht gestört werden. Ich bin überzeugt, dass die Ergebnisse meiner Nachforschungen nicht überflüssig sind, weil sie einige Punkte erhellen könnten, die noch unklar sind.«
    Die Riten zu vervollkommnen, die das wichtigste Werkzeug zur Wahrnehmung des Unsichtbaren darstellten, gehörte zur Hauptaufgabe der Bruderschaft von Abydos. Außerdem war das auch das beste Mittel im Kampf gegen böse Zauber.
    Letzte Station auf der langen Reise des Oberpriesters war das Heiligtum der sieben Priesterinnen, die zum Entzücken der göttlichen Seele da waren. Durch ihre Musik, ihren Gesang und Tanz führten sie die Harmonie weiter, indem sie die himmlischen Mächte mit ihren irdischen Erscheinungen verbanden. Durch das Zelebrieren der weiblichen Riten hielten sie Osiris am Leben. Ohne sie hätte es Abydos nie gegeben.
    Die jüngste der sieben Priesterinnen kam dem Träger der goldenen Palette entgegen. Sie war die Verkörperung von Freude im Einklang mit Würde. Seit ihrer Rückkehr von der Insel Elephantine, auf der sie von der Königin von Ägypten höchstpersönlich in den Stand einer Erweckten erhoben worden war, strahlte sie noch mehr Freude und Würde aus als zuvor.
    »Brauchst du etwas?«, fragte er sie.
    »Ja, ich brauche frischen Weihrauch und einen zusätzlichen Opfertisch, Herr. Nehmt bitte meinen Arm und setzt Euch zu uns in den Schatten.«
    Der alte Herr ließ sich nicht lange bitten. Die Müdigkeit, die ihn schon seit dem Aufstehen plagte, wurde einfach nicht weniger.
    »Wie empfindest du das Ritual, das du gerade erlebt hast?«, wollte er von ihr wissen.
    »Wie eine Tür, die sich zu einer neuen Welt geöffnet hat. Andere Wirklichkeiten und andere Farben sind aufgetaucht. Die Landschaft war da, ganz nah vor mir, aber ich habe sie nicht gesehen. Sind wir Menschen nicht eigentlich nur Hindernisse, die dem Licht im Weg stehen? Ich weiß aber auch, dass ich eine äußerst ungewöhnliche Gegenwart befruchten soll. Die Königin hat mir die Schwierigkeiten nicht verschwiegen, die ich auf dem Weg zu meiner Initiation meistern muss.«
    »Die Götter haben es so gewollt, Gott hat sie dazu ermutigt. Du wirst nie sein wie die anderen Priesterinnen. Manchmal wirst du dir wahrscheinlich wünschen, so zu sein wie sie, aber verliere dich nicht in diesem Trugbild.«
    »Seid Ihr bereit, mir noch mehr zu erklären?«
    Ein stechender Schmerz durchfuhr den Priester. Er verdrehte die Augen und sank zu Boden.
    Gefasst half ihm die junge Priesterin, sich auszustrecken. Sie besaß ausreichend ärztliche Kenntnisse, um zu erkennen, dass er einen Herzanfall hatte.
    »Wartet, ich hole Wasser und ein Kissen.«
    »Nein, bleib hier, es geht mit mir zu Ende… Ich möchte dein Gesicht in Erinnerung haben, wenn ich den Hütern der anderen Welt gegenübertrete. Deine Aufgabe… dein Auftrag ist größer und viel gefährlicher, als du dir je vorstellen kannst. Und ich vertraue dir, ich habe großes Vertrauen in dich…«
    Der Greis drückte ihr die Hände und gab einen langen Seufzer von sich.
     
     
    Der Kahle löste Natron in magnetisiertem Wasser auf und kniete sich vor

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