Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Baum des Lebens

Der Baum des Lebens

Titel: Der Baum des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
können.
    Shab hockte sich unter ein Vordach und tat so, als würde er dösen.
    Da tauchte aus einer kleinen Seitenstraße der Mann aus Kanaan auf, der vorher gesagt hatte, er wolle wieder nach Hause und dem der Prophet so gut zugeredet hatte.
    Der Mann lief ein paar Schritte, kehrte wieder um und verschwand dann in einer der engsten Gassen. Er war allein.
    Shab folgte ihm.
    Ganz offensichtlich hatte der Kanaaniter die Spur des Propheten verloren. Er zögerte und wusste nicht mehr, in welche Richtung er gehen sollte. Schließlich bog er nach links ab.
    Shab hörte ein seltsames Geräusch – es klang so wie die Luft, die über das Gefieder eines Falken streicht, wenn er sich auf seine Beute stürzt. Wie aus dem Nichts war der Prophet aufgetaucht und hatte seine Hand um den Hals des Kanaaniters geschlossen, der vor Schmerz so schrie, als hätten sich die Fänge eines Raubvogels in sein Fleisch gebohrt.
    »Hast du vielleicht mich gesucht?«
    »Nein, Herr, wieso denn… Ich bin spazieren gegangen.«
    »Lügen ist sinnlos. Warum bist du mir gefolgt?«
    »Ich schwöre Euch, dass ich…«
    »Wenn du jetzt nicht gleich die Wahrheit sagst, reiße ich dir ein Auge aus. Dieser Schmerz ist unerträglich. Danach reiße ich dir das andere aus, auf noch grausamere Art.«
    Vor lauter Angst gestand der Kanaaniter: »Ich wollte wissen, wohin Ihr geht und wen Ihr trefft.«
    »Auf wessen Befehl?«
    »Ich hatte keinen Befehl, Herr! Ich verstehe nur einfach nicht, warum Ihr kein Heer von Kanaanitern aufstellen wollt. Deshalb hatte ich Euch im Verdacht, Ihr stündet im Dienst der Ägypter, um unseren Widerstand zu brechen.«
    »Ist es nicht vielmehr so, dass du für den Pharao arbeitest?«
    »Nein, ich schwöre es Euch!«
    »Das ist jetzt die letzte Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen.« Der Prophet griff nach dem Auge, und das Schmerzgeschrei war unerträglich.
    »Nein, nicht für den Pharao, aber für meinen Stammesführer in Sichern, er will Euch loswerden!«
    Ein letzter kurzer, lauter Schrei ließ Shab dem Krummen das Blut in den Adern erstarren.
    Der Mann aus Kanaan wälzte sich auf dem Boden. Er hatte keine Augen und keine Zunge mehr.
     
     
    Schwerfällig erklomm der Libanese die Treppe, die zur Terrasse seines Hauses führte, auf der es betäubend nach süßlichen Duftwässern roch. Der Prophet und Shab folgten ihm. Letzterer hatte misstrauisch darauf bestanden, alle Räume des Hauses zu begutachten.
    »Bei Sonnenuntergang bin ich sehr gern hier oben«, sagte der Libanese. »Die Aussicht ist großartig, man hat das Gefühl, dass man ganz Memphis beherrscht.«
    In der Tat reichte der Blick über die weiß gekalkten Häuser bis hin zu den Tempeln, diesen Behausungen der falschen Götter, die der Prophet schleifen wollte. Kein einziger Stein sollte von ihnen übrig bleiben, die Statuen würden zerhackt und verbrannt werden. Kein Priester sollte seiner gerechten Strafe entgehen. Und kein einziger Überrest des alten Glaubens durfte bleiben.
    »Wir sind nicht hier, um die Hauptstadt des Feindes zu bewundern«, bemerkte der Prophet. »Hast du etwas Neues von Sesostris gehört?«
    »Es gibt widersprüchliche Gerüchte. Die einen behaupten, er sei Gefangener des Provinzfürsten Sarenput auf der Insel Elephantine, die anderen sagen, er habe in einer fürchterlichen Schlacht den Süden Ägyptens erobert. Aber niemand weiß, was der Pharao wirklich vorhat, immer vorausgesetzt, er ist überhaupt noch am Leben.«
    »Das ist er«, sagte der Prophet. »Warum sind die Hinweise deiner Verbindungsleute so schlecht?«
    Der Libanese verschlang ein Stück Kuchen, um seine Angst zu ersticken. »Weil wir noch in den Anfängen stecken, vor allem im Süden. Ich brauche viel Zeit, aber ich kann Euch versprechen…«
    »Dann nimm dir die Zeit, aber enttäusche mich nicht.«
    Durch den versöhnlichen Ton des Propheten ein wenig beruhigt, berichtete ihm der Libanese von den Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hatte, er erklärte ihm, wie er seine Verbindungsleute aushob und wie er sie dann in die Bevölkerung einschleuste. Das größte Hindernis war die langsame und teilweise vollkommen fehlende Nachrichtenübermittlung, was größtenteils am Streit zwischen Pharao Sesostris und einigen Provinzfürsten lag. Nicht selten kam es vor, dass Chnum-Hotep Schiffe aufhielt und ihre Ladung beschlagnahmte. Außerdem, und das war beileibe keine Kleinigkeit, mussten sich die Spitzel des Libanesen mit den örtlichen Gebräuchen vertraut machen und die Sprache

Weitere Kostenlose Bücher