Der Baum des Lebens
Nur aufgrund jahrelanger Erfahrung gelang es ihm, weiter zu lächeln, obwohl er den Dieb am liebsten erwürgt hätte.
»Üblicherweise, Herr, nehme ich…«
»Diese Angelegenheit ist etwas Besonderes, und du verdankst mir alles. Mir hast du es zu verdanken, dass dir der ägyptische Markt offen steht und du sehr reich werden wirst. Nachdem du mir gefällst, zeige ich mich mehr als nur großzügig-«
»Das weiß ich natürlich zu würdigen«, erklärte der Libanese überschwänglich.
»Erwähne mich niemandem gegenüber. Solltest du einen Fehler machen, lasse ich dich wegen Betrugs festnehmen. Dann zählt dein Wort nichts im Vergleich zu meinem.«
»Ihr könnt Euch auf meine Verschwiegenheit verlassen.«
»Ich mache gern Geschäfte mit klugen Menschen. Bis bald, dann können wir hoffentlich unseren ersten Erfolg feiern.«
Medes traute diesem Libanesen nicht über den Weg und überwachte jeden einzelnen Schritt der Unternehmung, die er bei dem geringsten Zwischenfall sofort abgebrochen hätte. Andererseits war dieser Händler so gewinnsüchtig, dass er sich vielleicht doch als zuverlässiger Partner erweisen würde.
Gergu war betrunken. Während er auf Medes wartete, hatte er einen Krug Starkbier nach dem anderen geleert, das er bei einem Mundschenk bestellte, der sein Verhalten zwar missbilligte, diesen Flegel aber, der von seinem Herrn derart geschätzt wurde, zu seiner vollen Zufriedenheit bedienen musste.
Als Medes schließlich kam, stand Gergu auf und versuchte, sich möglichst gerade zu halten.
»Ich fürchte, ich habe ein bisschen getrunken, aber ich bin bei klarem Verstand.«
»Setz dich.«
Gergu steuerte auf einen Sessel zu, und mit einiger Mühe gelang es ihm auch, ihn nicht zu verfehlen. »Ich habe gute Neuigkeiten. Ich habe den Großen Schatzmeister Senânkh zufrieden gestellt, und das, obwohl er wirklich kein einfacher Mann ist, auch wenn es vielleicht so scheint. Ich halte ihn sogar für äußerst misstrauisch und verhalte mich so unauffällig wie möglich, um keinen Verdacht in ihm zu wecken.«
»Frauengeschichten?«
»Ich habe mich nur an Frauen aus dem Gewerbe gehalten«, beteuerte Gergu. »Deshalb sind keine Beschwerden zu befürchten.«
»Halte dich weiter daran. Ich will auf gar keinen Fall Aufsehen erregen. Und wenn eine Dame aus der guten Gesellschaft verwickelt ist, dann… Welche Schwächen hat Senânkh deiner Meinung nach?«
»Er verabscheut schlechtes Essen und mittelmäßige Weine.«
»Das reicht nicht, um ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Du beschäftigst dich viel zu sehr mit dir selbst anstatt mit anderen, Gergu. Ich erwarte weitere Hinweise. Und was war das für eine gute Nachricht?«
Gergu lächelte genüsslich. »Senânkh hat mich nach Abydos mitgenommen. Er hat sich um den Tempelschatz gekümmert, ich mich um die Lebensumstände der Priester.«
Medes wurde aufmerksamer. »Hattest du Zutritt zum Tempel?«, wollte er wissen.
»Nein, ich war nur in einem Verwaltungsgebäude. Trotzdem habe ich meine Zeit nicht verschwendet. Zunächst einmal konnte ich feststellen, dass der Ort von Soldaten bewacht wird.«
»Warum denn das?«
»Keine Ahnung, das ist ziemlich seltsam. Aber wenn ich mich danach erkundigt hätte, hätte ich bestimmt Ärger bekommen.«
Jetzt tobte Medes. »Da kommt er auf das heilige Gebiet von Abydos und findet nichts heraus! Manchmal frage ich mich wirklich, ob du meiner Freundschaft überhaupt würdig bist, Gergu.«
»Ich bin ja noch nicht fertig! Ich habe nämlich einen Priester kennen gelernt, mit dem ich in Verbindung bleiben will. Ein sonderbarer Kerl, der für Euch wichtig werden könnte.«
»Warum?«
»Wir haben merkwürdige Blicke ausgetauscht. Dieser Mann ist wahrscheinlich ein Gelehrter, aber ich hatte den Eindruck, dass er unzufrieden mit seinem Schicksal ist und es gern verbessern würde.«
»Bildest du dir da nicht nur etwas ein?«
»Ich wittere jeden Bestechlichen hundert Meter gegen den Wind.«
»Ein Priester aus Abydos – das ist vollkommen unmöglich!«, sagte Medes.
»Wir werden ja sehen. Wenn ich das nächste Mal mit ihm spreche, weiß ich mehr.«
Medes ließ sich zu Träumereien hinreißen. Einen Verbündeten in Abydos zu haben, dem spirituellen Mittelpunkt Ägyptens, ihn zu beeinflussen, die Geheimnisse der Tempelklausur zu erfahren und sie nutzen zu können! Nein, das käme einem Wunder gleich.
»Weißt du, wie dieser Priester heißt und welche Aufgaben er hat?«
»Noch nicht, aber als er sich mir vorstellte, hat
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