Der Baum des Lebens
lieber wieder zu meinen Öfen. Wenn die Fachleute kneifen, ist bestimmt irgendwas faul an der Sache.«
Die anderen Häftlinge stimmten ihm zu.
»Ich will es wagen«, sagte Iker entschlossen.
»Du bist ja verrückt!«, widersprach Sekari. »Hast du nicht gehört? Sogar der Gott Min ist zurückgewichen!«
»Bringt mir das Werkzeug, das ich dafür brauche!«
»Iker, sei vernünftig, du gräbst dir dein eigenes Grab! Das kann ein Mensch allein nie im Leben schaffen.«
»Machst du etwa nicht mit?«, fragte ihn Iker. »Du hast die Wahl, in einer Kupfermine zu verkommen, in der du kaum überleben wirst, oder mit einem Schlag wieder in Freiheit zu sein. Und da zögerst du noch?«
Verwirrt betrachtete Sekari die Felswand. »Na ja, so gesehen… Aber du gehst voraus.«
»Einverstanden.«
»Noch Freiwillige?«, fragte Horourê.
»Nein, keine«, antwortete Schiefmaul, der froh war, den Spitzel auf diese Weise endlich loszuwerden.
Horourê kniete sich auf die Erde und hob die Hände, um den Berg anzubeten.
»Der Stollen, den ihr grabt, soll folgenden Namen tragen: ›Der die Minenarbeiter reich und die Vollkommenheit Hathors sichtbar macht‹. Möge der lebendige Stein den Schlag der Werkzeuge wohlwollend aufnehmen und wissen, dass wir nur für das Licht und nicht für uns arbeiten.«
Der Leiter der Unternehmung reichte den beiden Freiwilligen Spitzhacken und Schlagbolzen aus Silex und Dolerit.
»Wo sollen wir anfangen?«, fragte Sekari.
Horourê zeigte ihnen eine ganz bestimmte Stelle. Und dann durchbrach der Gesang der Hammerschläge die Stille der Berge.
20
Der Schnüffler konnte mit sich zufrieden sein. Nachdem er zehn Jahre lang überall auf der Landenge von Suez sein Unwesen getrieben und zahllose Karawanen überfallen und ausgeraubt hatte, war er gerade eben seinen wichtigsten Widersacher losgeworden. Der Anführer der gegnerischen Bande war so dumm gewesen, in einen Abgrund zu stürzen und dabei ums Leben zu kommen; und seine Leute hatten sich einfach nicht auf einen Nachfolger einigen können. Deshalb begaben sie sich lieber unter die Befehlsgewalt des Schnüfflers, um gemeinsam zur gefürchtetsten Bande von Sandläufern in der ganzen Gegend zu werden. So konnten sie ihre Schlagkraft steigern, und kein einziger Kaufmann würde ihnen mehr entkommen.
Manchmal nahmen sie sich alles, ein andermal begnügten sie sich mit einem Teil der Waren, ihre Opfer mussten schwören, dass sie sich nicht beklagen würden, andernfalls drohten ihnen Vergeltungsmaßnahmen. Außerdem vergewaltigten sie immer wieder Frauen, die sie dann ebenfalls zum Schweigen verpflichteten.
»Beute in Sicht!«, rief ein Späher.
»Und, ist es eine schöne Karawane?«, fragte der Schnüffler neugierig.
»Schaut nicht so aus«, bekam er zur Antwort.
»Ja und, was ist es dann?«
»Ungefähr zwanzig brave Leute.«
»Etwa Wachmänner?«
»Das glaub ich nicht, so wie sie sich benehmen! Wahrscheinlich haben die sich irgendwie verlaufen. Die schleppen sich völlig erschöpft durch die Gegend.«
»Wir könnten ein paar von ihnen für uns arbeiten lassen und die anderen umbringen?«
»Mal sehen.«
Die stattliche Erscheinung des Anführers dieser traurigen Truppe machte großen Eindruck auf die Sandläufer. Er ging mehrere Schritte vor den anderen her und hatte den angriffslustigen Blick eines Raubtiers.
Der Schnüffler wollte nicht zugeben, dass er Angst hatte, und fuhr den großen Mann barsch an.
»Wer bist du, Fremder?«
»Der Prophet.«
»Und was verkündest du?«
»Dass sich die Feinde des Pharao meinem Willen unterwerfen müssen, damit wir diesen Tyrann vernichten können.«
Der Schnüffler stemmte die Hände in die Hüften. »Aha! Und wieso sollte dir dabei einer helfen?«
»Weil ich der Einzige bin, der die Mächte deuten kann. Und nur ich allein kann siegen.«
»Ich glaube, du hast den Verstand verloren, mein Lieber, aber es ist sehr unterhaltsam!«
»Wenn das so ist, warum zittert deine Stimme dann so?«
»Deine Unverschämtheit beeindruckt mich überhaupt nicht!«
»Wenn du weiterleben willst, unterwirf dich sofort dem Propheten.«
Der Schnüffler brach in Gelächter aus. »Genug mit dem Geschwätz!«, rief er. »Ich werde jetzt jeden von euch einzeln unter die Lupe nehmen. Die Kräftigsten können für mich arbeiten, die anderen sollen in der Wüste vertrocknen.«
Der Prophet streckte den linken Arm aus. »Zum letzten Mal, unterwerfe dich.«
Und als der Schnüffler zuschlagen wollte, verwandelte sich
Weitere Kostenlose Bücher