Der Beethoven-Fluch
gewissenhaft den Rucksack.
Er hatte diesen Kauf zwar mit der gebotenen Vorsicht in die Wege geleitet, doch Terroristenzellen waren nicht eben dafür bekannt, dass sie besonders ehrenhaft vorgingen. Zudem war ihm Paxton viel zu selbstsicher erschienen. David brauchte nur fünf Minuten, dann hatte er den Peilsender gefunden. Er steckte wie ein kleines, fieses Insekt unter der Gummizunge unten am Ende des Reißverschlusses.
Im Laufe der Jahre hatte David Beziehungen zu Ganoven, Gesetzesbrechern und Angehörigen extremistischer Untergrundnetzwerke jeglicher Couleur gepflegt. Er hatte ihnen Geheiminformationen entlockt, die bedeutsamen davon der Welt mitgeteilt und die anderen in der Hinterhand gehalten, um sie für den passenden Zeitpunkt und die passende Story zur Verfügung zu haben. Wenn er während eines Auftrages mit seinen Kollegen beim Bier in der Hotelbar saß, allesamt abgekämpft und fern der Heimat, dann stritten sie oft über die Frage, ob eine freie Presse, die illegale Praktiken publik machte, der Kriminalität dadurch nun förderlich oder abträglich war. Wie dem auch sein mochte – die Aufgabe des Reporters bestand darin, der Wahrheit ans Licht zu verhelfen. Und das war David so hervorragend gelungen, dass seine Arbeit ihm drei Pulitzer-Preise eingebracht hatte. Um seine Reportagen zu machen, hatte er sich häufig in Gefahr begeben. Allerdings noch nie so wie jetzt.
Immerhin war der Semtex-Kauf an sich anonym über die Bühne gegangen; folglich observierten Paxton und seine Global-Security-Truppe nicht einen David Yalom, sondern vielmehr eine Lieferung Plastiksprengstoff an eine Person, die eine falsche Identität benutzt hatte. Von dieser Seite drohte David also vermutlich keine Gefahr. Andererseits musste man Abdul im Auge behalten. Hatte sich Wassong etwa mit dem Palästinenser verbündet? Oder hatte er auf eigene Faust gearbeitet und darauf abgezielt, sich nach getaner Tat die ganze Beute unter den Nagel zu reißen? Eigentlich hatte David damit gerechnet, dass sein Abstecher nach Tschechien nicht ohne Widrigkeiten verlaufen werde, aber bis jetzt sah es so aus, als habe er falsch eingeschätzt, aus welcher Richtung die größte Gefahr drohte.
Heraufziehende Gewitterwolken verwischten die Trennlinie zwischen Hügeln und Horizont. Der im Rucksack versteckte Peilsender ließ vermuten, dass wohl kaum jemand in der Nähe saß und David beobachtete. In einer solch abgelegenen Gegend wäre ein Beschatter zu leicht auszumachen gewesen; da empfahl sich eher die elektronische Variante.
David ließ den Rucksack im Auto, schnappte sich seinen leeren Kaffeebecher, stieg aus und stiefelte zum nächsten Abfalleimer. Genau in dem Moment, als er an einer geparkten Limousine mit einer über dem Armaturenbrett aufgeschlagenen Straßenkarte vorbeikam, geriet er ins Stolpern. Der Pappbecher segelte im hohen Bogen durch die Luft; Kaffeereste spritzten durch die Gegend. David bückte sich, wodurch er einige Sekunden abtauchte. Mit dem Becher in der Hand richtete er sich wieder auf und warf das Ding in den Drahtmülleimer.
Zwei Minuten danach ließ er seinen Mietwagen an, rollte vom Parkplatz herunter und bog zurück auf die Landstraße Richtung Wien. Genüsslich malte er sich aus, wie Paxtons Truppe wie gebannt vor dem Monitor hockte und fasziniert den Lichtpunkt verfolgte, außerordentlich zufrieden darüber, dass man das Ziel im Blick behielt.
Während der restlichen Fahrt spähte David regelmäßig in den Rückspiegel, um sich zu überzeugen, dass er nicht verfolgt wurde. Dabei wäre ihm nicht einmal unlieb gewesen, dass ihm jemand nachfuhr. Des Öfteren wünschte er sich sogar, man möge ihn stoppen und ihn vor diesem finster brodelnden Zorn bewahren, ehe der erneut in ihm hochkochte.
36. KAPITEL
W ien, Österreich
Montag, 28. April – 16:05 Uhr
“Es kommt nicht von ungefähr, dass Sigmund Freud den Begriff
Todestrieb
während seiner Wiener Zeit prägte”, sagte Jeremy zu seiner Tochter, als sie ans Tor zum Wiener Zentralfriedhof gelangten. Vor dem Betreten der Nekropole hielt er einen Moment inne und atmete tief durch. “Zur Israelitischen Abteilung geht es da entlang.” Er wies in die Richtung. Die beiden kamen direkt von der gut besuchten und tief ergreifenden Begräbnisfeier für Jeremys Haushälterin.
Der Friedhofsweg, den sie nun einschlugen, war gesäumt von fünf Meter hohen, zu luftigen Pyramiden gestutzten Lebensbäumen. Durch die Lücken im Grün fiel der Blick auf gepflegte Rasenflächen,
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