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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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doch eigentlich die richtigen und einzigen Menschen. Man nimmt uns in diesen schlechten Zeiten Alles, was wir besessen haben; man raubt uns unsere alten Rechte und Zukömmnisse; sollen wir etwa unsere Ringmauern verspeisen und unsere Rüstungen als Zugabe hinunterschlucken? Wenn die Fürsten und Herren uns das Unsrige nehmen, so sind wir gezwungen, dem Volke das Seinige zu nehmen, wenn wir nicht verhungern oder gar verdursten wollen, und Durst, ja Durst, hrrr! hm! den hat ein wackerer Rittersmann ja zu aller Zeit. Der Markgraf hat Euch Eure Schlösser und Burgen genommen. Was sollt Ihr nun thun? Wollt Ihr ihm etwa vor die Füße fallen, daß er Euch ein Stückchen trockenes Brod gebe? Eine solche Schande wird kein Quitzow auf sich laden! Oder wollt Ihr bei Eurer Frau Mutter bleiben und für immer von der Güte des Großvaters leben? Dann hättet Ihr alle Ehre verloren und müßtet Euch schamvoll vor Jedermann verkriechen. Oder wollt Ihr in ein Kloster gehen und den Rosenkranz fingern und die Augen verdrehen? Dann würde Euch eine Glatze geschoren und der Herrgott müßte den Kopf zu Eurer Faulheit schütteln. Nein, das Alles und noch vieles Andere mögt Ihr nicht thun, und darum seid Ihr zu mir gekommen, um Euer Band mit Ehren zu verdienen, indem Ihr mit dem Schwerte dreinschlagt in all’ das große und kleine Gesindel, welches sich im Lande herumtreibt und von dem lebt, was uns genommen worden ist. Und nun ich Euch bei mir willkommen heiße, kommt Ihr mir mit Vorstellungen, daß der Ritter Unrecht thue, wenn er sich ein Fäßlein Weines oder eine Ladung Roggen von der Straße wegnimmt, weil er sonst trotz seiner Tapferkeit und seiner Ahnen elendiglich verhungern müßte? Bleibt mir vom Leibe mit solch’ unnützem Gewäsche; laßt es Euch vielmehr bei mir gefallen und greift wacker mit zu, wenn es Etwas zu holen giebt. Nur auf diese Weise bleiben wir bei den nöthigen Kräften, um Euren Markgrafen wieder dahin zu jagen, wo er hergekommen ist!«
    Der ehrsame Herr hatte sich so in Eifer geredet, daß er gar nicht bemerkt hatte, daß ihm der Athem schon längst ausgegangen war. Während seiner ganzen Lebenszeit hatte er noch keine so lange Rede gehalten, und nun er glücklich mit ihr zu Ende gekommen war, sank er erschöpft in seinen Sessel zurück, legte den Kopf hintenüber und schloß die Augen. Das wohlgepflegte Bäuchlein hob und senkte sich, in Mitleidenschaft gezogen von den kräftigen Zügen, mit denen die angestrengte Lunge nach Odem schnappte, und es dauerte eine sehr lange Zeit, ehe sich die kleinen Augen wieder öffneten, um zu sehen, welchen Eindruck die Rede auf die beiden Jünglinge hervorgebracht hatte.
    Diese hatten schweigend dagesessen. Sie mußten sich gestehen, daß in den Worten des Vetters ein Etwas enthalten sei, welches zu widerlegen sie die nöthige Erfahrung und Reife noch nicht besaßen. Doch versuchte Dietz sein Glück mit einer Bemerkung, welche seiner innersten Ueberzeugung entsprang:
    »Ich bin zu jung, um mit Euch rechten zu können, Vetter; doch nehmt es mir nicht übel, wenn ich Euch frage, ob es gut zu heißen ist, daß wir Andern Unrecht thun, weil auch uns Unrecht gethan worden ist!«
    »Unrecht thun? Hrrr! Hm! Wem thun wir denn Unrecht? Der Kaiser nimmt seinen Schoß, der Pfaffe holt sich seinen Zehnten, und wir? Nun, wir holen uns auch den Zoll, der uns gebührt. Und dieser Zoll ist kein Unrecht, denn er ist gesetzlich.«
    »Gesetzlich? Davon hat uns noch Niemand Etwas mitgetheilt!«
    »Hrrr! Hm! Das glaube ich wohl!« lachte Claus. »Der Kaiser macht sich seine Gesetze; der Pfaffe macht sich seine Gesetze; so machen wir uns unsere Gesetze auch. Wir nehmen, was wir bekommen, und thun damit, was uns beliebt; denn der Kaiser darf zum Beispiel auch die Marken nehmen und verschenken, verleihen oder verkaufen ganz nach Gutdünken und Wohlgefallen. Sie sind immer aus einer Hand in die andere gegangen; die Ritterschaft hat gar Vieles darunter leiden müssen, und nun Euch gar noch dieser Burggraf von Zollern über den Hals geschickt worden ist, könnt Ihr Ach und Weh schreien in alle Ewigkeit, wenn es Euch nicht gelingt, das Joch, welches er auf Euch gelegt hat, wieder abzuschütteln.«
    »Das wird uns wohl nimmermehr gerathen. Wir haben seine Macht gesehen und schwer empfinden müssen, und auf unserer Wanderung ist uns gar mancher verständige Mann begegnet, welcher von ihm gesprochen hat, als von einem Herrn, der nur das Rechte und Gute wolle und dieses auch kräftig durchzuführen

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