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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Titel: Der beiden Quitzows letzte Fahrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kerkerhaft, und die Quälereien, welchen sie ohne Zweifel durch den wollüstigen Dietrich ausgesetzt gewesen, die furchtbare Erregung, in die sie hierdurch sowohl als durch die Trennung von den Ihrigen versetzt worden, mußten schließlich zu der geistigen Umnachtung der Unglücklichen führen, so daß es nun nicht möglich ist, die geringste Auskunft durch sie selbst zu erhalten.
    Die Mutter Marien’s! wahrhaftig, je länger ich diesen Gedanken erwäge, desto glaubhafter erscheint er mir. Wird er doch, abgesehen von allem Anderen, dadurch schon lebhaft unterstützt, daß das Mädchen vom ersten Augenblick an eine Zuneigung zu der Frau zeigt, die sich nicht lediglich mehr als Bethätigung des Mitleids mit einer Leidenden bezeichnen läßt.
    Und ist nicht auch Detlev in gleicher Weise um die Frau besorgt? Leider findet sich in der Erinnerung Mariens und Detlev’s gar kein Anhaltspunkt, von dem aus ich noch einen Heilungsversuch mit der Aermsten vornehmen könnte. –«
    »Hm!« fiel er, nachdem er wieder eine Weile geschwiegen, noch einmal aber unwillig ein:
    »Hugo, Du wirst ein Träumer und fängst an schwach zu werden!
    Graf Warwick war mir ja ebensowenig bekannt, als die Frau, bevor sie hierher gebracht wurde, und doch hegte ich im ersten Moment unserer Begegnung bereits das Gefühl, als sei er mir kein Fremder. –
    Widersinniges Spiel einer, aus weiß Gott welchen Gründen, erregten Phantasie!«
    In diesem Augenblick klopfte Jemand an die Thür.
    Detlev trat ein und meldete, ein Herr sei angekommen, welcher den Ritter zu sehen und zu sprechen verlange.
    »Wie heißt er?«
    »Graf Warwick!«
    Ueberrascht trat der Ritter Detlev einen Schritt näher.
    »Wie nanntest Du den Herrn?«
    »Graf Warwick!« erwiderte Detlev jetzt nicht weniger erstaunt; »darf ich ihn hier einführen?«
    Auf ein bejahendes Zeichen des Ritters eilte Detlev hinaus und Suteminn rief überrascht:
    »Will der Zufall mir behülflich sein zur Lösung des Räthsels oder soll der Knoten vielleicht noch mehr geschürzt werden?«
    Er hatte nicht mehr lange Zeit zum Grübeln, denn die Thüre sprang auf und der Graf trat ein.
    Nach den ersten Begrüßungen und nachdem Suteminn seiner aufrichtigen Freude, den Grafen hier empfangen zu dürfen, Ausdruck gegeben, fragte der Graf hastiger, als er sonst zu sprechen pflegte:
    »Wer ist der junge Mann, welcher mir die Pforte öffnete? – Eine herkulische Gestalt!«
    »Er ist mein Pflegesohn!«
    »Wunderbar, wie ein vollkommen fremder Mann durch seine Züge, sein Auge sofort für sich einnehmen kann! Ich hoffe ihn vor meinem Weggange von hier kennen zu lernen!«
    »Mein Pflegesohn wird sich freuen, Kenntniß von Eurem Verlangen zu erhalten!«
    »Erlaubt mir vorerst noch andere Dinge zu erwähnen. Die Hamburger Angelegenheit wird jedenfalls bereits erledigt sein, denn der Vorstand der Hafenbehörde, welchem ich die Verbrecher übergeben habe, gab mir die Versicherung, daß er ungesäumt und mit ganz besonderer Strenge gegen die Elenden vorgehen wolle, um die etwa vorhandene Neigung zur Wiederholung derartiger frecher Streiche zu unterdrücken.
    Ich habe mich in Hamburg in Folge dieser Angelegenheit länger aufgehalten, als ich ursprünglich beabsichtigte, und meinen Reiseplan dementsprechend geändert!«
    »Darf ich fragen, nach welcher Richtung? Die Reise wird doch nicht etwa auf längere Zeit verschoben?«
    »Durchaus nicht. Ich werde nur, statt am Rhein mich, wie ich es wollte, aufzuhalten, in Berlin und Potsdam einige Zeit verweilen, und hoffe dann in Eurer Gesellschaft abreisen zu können!«
    Suteminn gab sichtlich erfreut zustimmende Antwort und bald befanden sich die beiden Herren im lebhaftesten Gespräch.
    Während sie sich noch unterhielten, wurden im Nebenzimmer Stimmen laut.
    Marie sprach, wie Suteminn deutlich verstand, besänftigend zu der Fremden, worauf diese verwundert fragte:
    »Glaubt Ihr vielleicht, daß ich mich vor den beiden Hunden fürchte? Die kennen mich ja schon und werden mich ungehindert gehen lassen. Ich will einmal hinaussehen, ob –«
    Die Fortsetzung blieb unverständlich, weil die Frau plötzlich anfing, flüsternd zu sprechen. Marie verließ dann mit der Letzteren die Stube.
    Auch der Graf hatte die Worte verstanden.
    Bei den ersten Lauten schon zuckte er zusammen, dann horchte er, alles um sich vergessend, angestrengt; sein erst milder doch ernster Blick wurde im Moment starr, dann aber rief er mit allen Zeichen der denkbar höchsten Erregung:
    »Mein Himmel, wer sprach

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