Der beiden Quitzows letzte Fahrten
vermochten diesen indeß nicht zu finden und würden allein, ohne weiteren Beistand im besten Falle auch kaum hinübergekommen sein, denn waren wir auf richtiger Fährte, dann mußten die sicher aufgestellten Wachtposten uns bemerken und wir hätten uns nutzlos geopfert. Andernfalls aber wäre jede weitere Verfolgung durch inzwischen erfolgte Verwischung der Fußspuren unmöglich geworden. Wir stellten deshalb nothgedrungen die fernere Verfolgung der Elenden ein.
Ich kehrte, als alles Suchen und Forschen nach meiner Gattin und meinen Kindern vergeblich blieb, dem Rufe der Pflicht folgend, nach England zurück und nahm den Knecht mit mir. Ihr habt ihn selbst gesehen. Er hat sich durch seine Fähigkeiten bis zum Capitän der ›Schwalbe‹ emporgearbeitet.«
»Ah!« warf Suteminn ein, »er ist also der Bruder des Wachtmeisters bei Hans von Uchtenhagen, welcher sich mit dem Capitän auf Neuwerk in so seltsamer Weise begrüßte?«
»Derselbe! Obwohl ich auf alle mögliche Weise versucht habe, den Schmerz über den mir nicht mehr zweifelhaften Verlust der Meinigen möglichst zu mildern, ist mir dies doch nicht im Laufe der Jahre gelungen und auch heut’ hat mich nur der Wunsch, wenigstens zu erfahren, was aus meinen Lieben geworden und Rache an dem Schurken zu nehmen, der sich der ›schwarze Dietrich‹ nennt, wieder hierher getrieben. Ich wollte erst von Constanz aus hierher kommen, dann aber nicht eher nach Hause zurückkehren, bis ich nicht nach irgend einer Richtung Gewißheit über das Geschick der Meinigen erhalten. Der unfreiwillige Aufenthalt in Hamburg hat mir jedoch Anlaß geboten, auf der Hinreise nach Constanz schon die Marken zu durchwandern –
Gebe der Himmel, daß meine heißen Wünsche endlich in Erfüllung gehen!«
Suteminn hatte erst neugierig, dann aber mit wachsendem Erstaunen der Erzählung des Grafen gelauscht. Forschend betrachtete er sein Gegenüber und schien in der Erinnerung zu suchen, denn obwohl er den Blick oft von ihm wandte, so kehrte dieser doch immer wieder zu ihm zurück. Schließlich mußte er doch aber wohl die erwünschte Gewißheit erlangt haben, denn das starre Erstaunen schwand aus seinen Zügen, es bemächtigte sich des harten, in den Stürmen des Lebens erprobten Mannes eine so weiche, doch aber weniger wehmüthige, als vielmehr freudige Stimmung, daß er, um seiner selbst Herr zu bleiben, sich gezwungen sah, vom Stuhle aufzustehen und sich abzuwenden.
Hierdurch wurde die Aufmerksamkeit des trübe vor sich hinschauenden Grafen erregt.
»Die kurze Schilderung meiner Erlebnisse in den Marken scheint Euch nahe zu gehen! Habt Dank für das mir gezollte Mitgefühl und erweist mir später auch die Freundschaft, mir suchen zu helfen!«
Die Augen Suteminn’s waren feucht geworden, und mit durch innere Erregung bewegter, weicher Stimme fragte er:
»Erinnert Ihr Euch wohl noch des Ritters, welcher Euch bei dem Ueberfalle an jenem für Euch verhängnißvoll gewordenen Tage zu Hülfe kam?«
»Nur noch unklar kann ich mich seiner entsinnen. Doch glaube ich nicht irre zu gehen, wenn ich behaupte, der Ritter war sehr groß und stark. Die Lanze, welche er gegen den ›schwarzen Dietrich‹ einlegte, war von gewaltiger Stärke und sein Pferd war, wie ich ziemlich bestimmt zu sagen vermag, ein Falben!«
»Großer Gott!« murmelte Suteminn leise und mehr für sich; »welch’ glückliche Fügung!«
Zum Grafen gewandt fuhr er lauter fort:
»Den Ritter wieder zu erkennen, würde Euch nicht möglich sein?«
»Ich glaube nicht. Meine Aufmerksamkeit wurde ja durch die auf mich eindringenden Knechte zu sehr in Anspruch genommen, so daß ich ihn nur flüchtig zu betrachten vermochte. Unterdeß trug er, so viel ich mich entsinne, nicht das geringste besondere Abzeichen an sich!«
»Ebensowenig wäret Ihr natürlich auch im Stande, das Pferd zu erkennen.«
»Ich weiß nur noch, daß es ein riesig starker Falben war, da es aber dergleichen Pferde noch mehr giebt, so – –«
»Natürlich! Ist es Euch aber möglich, mir die Lichtung genau zu beschreiben, auf welcher Ihr überfallen wurdet?«
»Das vermag ich allerdings, denn dieser Platz wird mir ewig getreu im Gedächtniß bleiben.«
Als er mit seiner Schilderung zu Ende war, erklärte Suteminn:
»Jeder Zweifel ist nun wohl behoben und ich darf offen sagen, daß ich, Herr Graf, dieser Ritter war!«
»Ihr, Herr Ritter?« rief der Graf in freudigem Erstaunen; »o, Gott sei Dank, daß ich Euch wiedergefunden. Mit Eurer Hülfe werde ich
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