Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
Jahren nicht."
Tory schwieg, während sie die Schnipsel Familiengeschichte verdaute. Irgendwie war es seltsam, sich Roan mit einer Frau vorzustellen, die so große seelische Verwundungen hatte. Er war so stark und selbstsicher; eigentlich hätte man annehmen können, dass er sich eine Frau aussuchte, die ihm ähnlicher war. Natürlich konnte es sein, dass ihm nicht klar gewesen war, wie verstört Jakes Mutter war; eine Depression konnte viele Formen annehmen und unerkannt bleiben, bis es zu spät war.
„Niemand kann sich seine Eltern aussuchen oder das Leben, das man als Kind hat", sagte sie leise. „Deshalb kommt es auf das an, was man später macht. Darauf, dass man sich ein Leben aufbaut, das so ist, wie man es sich vorstellt." Das war eine Lektion, die sie auf die harte Tour gelernt hatte und immer noch lernte.
Jake nickte. „Das sagt mein Dad auch immer."
Es war schön zu wissen, dass der Sheriff und sie zumindest in einer Sache einer Meinung waren.
Sie beendeten ihre Mahlzeit, dann half Tory Jake, die Teller in die Spülmaschine einzuräumen. Sie stellte gerade die Mixed Pickles zurück, als er sagte: „Also, was ist jetzt mit den Klamotten auf dem Speicher? Wollen Sie sie sich anschauen? Vielleicht ist ja was dabei, was Sie hier anziehen können."
Sie hob eine Augenbraue, dann stellte sie sich mit dem Glas in der Hand in Positur. „Sag bloß, dir gefällt mein Outfit nicht. Es kommt direkt vom Laufsteg in Paris."
„Ja, so sieht es auch aus", gab er zurück. „Vor allem, weil es so schön am Körper rumschlabbert."
Sie drehte den Kopf und schaute über ihre Schulter. „Na ja, jetzt, wo du es sagst, fällt mir auch auf, dass ich da zweimal reinpasse."
„Mitsamt einer ganzen Elefantenherde", brummte er.
„Ich habe es vernommen", sagte sie. „Aber ich weiß nicht, ob ich schon wieder so fit bin, dass ich noch mehr Treppen steigen kann, als ich brauche, um ins Bett zu kommen."
„Selbst nachdem Sie sich ausgeruht und etwas gegessen haben?" Anstelle der freudigen Erwartung in seinen Augen, die den Augen seines Dads so ähnlich waren, trat Besorgnis.
„Ich weiß nicht. Ich bin heute zum ersten Mal seit langer Zeit auf, weißt du."
„Dann bleiben wir eben nur eine Minute oben."
Er sagte es so einschmeichelnd, dass sie es nicht schaffte, ihm seine Bitte abzuschlagen. Ganz abgesehen davon, dass es taktisch klug sein könnte, ihn bei Laune zu halten. Es ärgerte sie, dass sie so berechnend war, aber für sie stand eine Menge auf dem Spiel.
Die Kostüme waren wundervoll. Sorgfältig verwahrt in einem riesigen Schrank, der sich über eine ganze Wand des großen Speichers hinzog, repräsentierten sie die Mode von mehr als anderthalb Jahrhunderten. Da waren elegante Abendkleider, die mit Fischbein verstärkte Mieder hatten, und weite Röcke, die einer Krinoline bedurften, Tageskleider mit geraden Röcken, Männerfräcke mit langen Schößen und sogar ein Smoking mit Samtaufschlägen. Nichts war nachgemacht, der Satinstoff hatte den Glanz des Alters, die Spitze war handgeklöppelt, die Männerhemden hatten keinen Kragen, und der steife Stoff der Hosen hatte an den Bügelfalten verblasste Streifen.
Es war ein faszinierender Einblick in das Leben der Familie
Benedict. Tory konnte sich leicht vorstellen, wie sich Roan und seine Cousins an verregneten Tagen auf den Speicher geschlichen hatten, um die kostbaren Stoffe zu berühren und sich als Südstaatengentlemen vergangener Jahrhunderte zu verkleiden, oder wie eine Mutter während der schweren Zeit der großen Wirtschaftskrise zwischen den Abendkleidern nach etwas gesucht hatte, was sich leicht ein bisschen ändern ließ, damit es ihre Tochter beim Ball tragen konnte. Obwohl sie Jake bei mehreren Sachen fragte, wusste er nicht, wer sie bei welchem Anlass getragen hatte. Es machte sie traurig zu denken, dass seine Großmutter es vielleicht gewusst hätte, aber dass sie dieses Wissen mit ins Grab genommen hatte.
Jake verlor schon bald das Interesse. Er wandte sich von dem Schrank mit den Kleidern ab und ging zu einer Reihe von mit Leder verkleideten Truhen, die an der Wand in der Nähe der Treppe standen. Tory folgte ihm und schaute ihm über die Schulter, als er den Deckel einer Truhe öffnete. Sie war bis obenhin mit olivfarbenen Blechkannen und Dosen gefüllt.
„Rationen aus dem Zweiten Weltkrieg", erzählte er ihr.
„Du machst Witze." Sie beugte sich vor, um die kleinen weißen Buchstaben auf den Seiten der Dosen in dem schwachen Licht der
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