Der Benedict Clan 03 - Die Millionenerbin
Sekunden. Während sie auf seinen breiten Rücken starrte, befestigte er die beiden Enden mit einem Spezialwerkzeug, das er aus seiner Tasche zog, überprüfte, ob es hielt und ob es nicht scheuerte, dann nickte er zufrieden. Er streckte die Hand aus und berührte ganz leicht die letzten Schorfreste, die an ihrem anderen Fußgelenk noch zu sehen waren. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und schaute auf sie hinunter.
„Ich komme zurück", sagte er leise. „Bald."
War das eine Drohung oder ein Versprechen? Sie wusste es nicht. Und was spielte es auch für eine Rolle? Er tat wie immer genau das, was er tun wollte, und nichts und niemand konnte ihn aufhalten.
„Meinetwegen brauchst du dich nicht zu beeilen", gab sie zurück, wobei sie die Worte kaum herausbekam, weil sich ihre Kehle wie zugeschnürt anfühlte.
Er zögerte einen Moment und sagte dann: „Es tut mir wirklich Leid."
Sie wandte den Kopf und schaute übers Wasser, und auch als er weggegangen war und seine Schritte im Flur hallten, drehte sie sich nicht um. Wenig später hörte sie seinen Wagen die Einfahrt hinunterfahren.
Es tat ihm Leid.
In ihrem Hals bildete sich ein dicker Kloß, während sie seine Worte verdaute. Jeder andere Mann wäre über seine Eroberung stolz gewesen, aber nicht Roan, der allmächtige Sheriff von Tunica Parish. Ihm tat es Leid, dass er ihr seinen Willen aufgezwungen hatte. Ihm tat es Leid, dass er mit einer Gefangenen eine Grenze überschritten hatte, die er nicht hätte überschreiten dürfen, dass er etwas ganz und gar Unakzeptables getan hatte, das gegen all seine Begriffe von Ehre und Moral verstieß, und seien sie auch noch so altmodisch.
Roan Benedict eiferte höheren Idealen nach, als ein Mann es tun sollte. Er war ein Südstaatengentleman, mit all dem Stolz und der Stärke und dem ausprägten Sinn für Pflichtbewusst- sein, die dieser Titel beinhaltete. Die Frage war nur, was war mit ihr?
Sie hatte nicht die Rolle der Lady gespielt. Sie hatte versucht, ihn zu überlisten, sie hatte versucht, körperliche Anziehungskraft als Mittel zum Zweck einzusetzen, und es hatte nicht funktioniert.
Sie versteckte sich jetzt schon eine ganze Weile hinter Roan Benedict, sie benutzte ihn in der Hoffnung, dass er sie beschützte, während sie ihn und seinen Sohn durch ihre Lügen in Gefahr brachte. Er hatte Besseres verdient.
Sie mochte sich im Augenblick nicht besonders, besonders jetzt nicht, wo sich ihre Haut abkühlte, nachdem das heiße Gewicht seines Körpers nicht mehr auf ihr lastete und die letzten rauschhaften Gefühle langsam abklangen. Seit wann war sie so skrupellos? Wann hatte sie aufgehört, sich über andere Menschen Gedanken zu machen? War sie schon immer so gewesen, oder war es der Einfluss von Harreil und ihrem Stiefvater? Glaubte sie wirklich, dass die Reichen anders waren? Glaubte sie wirklich in ihrem tiefsten Innern, dass sie mit allem durchkommen würde?
Falsch, falsch, falsch.
Und doch, was konnte sie tun? Wenn sie Roan die Wahrheit erzählte und sich ihm auf Gedeih und Verderb auslieferte, würde das etwas ändern? Würde er ihr glauben oder denken, dass es wieder nur ein Trick war? Oder würde er sich erst recht aufgerufen fühlen, sie zu beschützen, wenn er wusste, wo sie herkam, und entdeckte, dass sie die Wahrheit sagte?
Das konnte sie nicht zulassen. Nein, ihr erster Plan war immer noch der beste. Sie musste bei der nächstbesten Gelegenheit von hier weg, sie musste zu Paul Vandergraff und herausfinden, was er bei dieser ganzen Sache für eine Rolle spielte. Und wenn sie ihr Leben in Ordnung gebracht hatte, dann vielleicht, nur ganz vielleicht...
Vielleicht was? In Roans ruhigem, ehrbarem Leben war für jemand wie sie kein Platz. Gar keiner. Je eher sie sich an diesen Gedanken gewöhnte, desto besser für sie. Deshalb blieb ihr allem Anschein nach nichts anderes übrig, als so weiterzumachen wie bisher, und alles zu tun, um ihn in Sicherheit zu wiegen, damit er seine Wachsamkeit aufgab.
Sie starrte finster auf das schwarze Plastikband an ihrem Knöchel, dann hob sie den Fuß, um zu testen, wie schwer es war. Sie hasste das Ding, nicht nur wegen des Verlusts an Freiheit, den es darstellte, sondern auch wegen der Erinnerungen, die jetzt damit einhergingen.
Als sie den Fuß wieder auf den Boden stellte, streifte das Band ihr anderes Fußgelenk. Es kratzte unangenehmer auf der Haut, als sie erwartet hatte. Sie runzelte die Stirn, während sie sich nach unten beugte, um sich den
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