Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
ausgerechnet den Mann in ihre Gewalt gebracht, der sie und Lainey aller Wahrscheinlichkeit nach zu Grunde richten würde, wenn er herausfand, wer Janna war und was sie vorhatte.
Dennoch war sie sich nicht sicher, ob sie irgendetwas hätte anders machen können. Sie hatte immer auf ihr Herz gehört. Denn sie liebte ihre Tochter und sorgte für sie, so gut sie konnte. Sie hatte sich so viel Mühe gegeben, die richtigen Entscheidungen zu treffen, besonders in den letzten Wochen. Clays Auftauchen war ein Schock gewesen, gleichzeitig jedoch eine zu perfekte Gelegenheit, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen; es war, als ob sie ihn herbeigezaubert oder als ob eine höhere Gewalt ihn ihr in den Schoß gelegt hätte. Nicht, dass sie besonders abergläubisch oder religiös wäre oder sich dieses Gefühls zu diesem Zeitpunkt auch nur bewusst gewesen wäre. Nein, sie hatte einfach wie im Traum gehandelt.
Den Gedanken, die Benedicts mit ihrer Tochter bekannt zu machen, hatte Janna schon im Hinterkopf gehabt, seit sie Denise zum ersten Mal gefragt hatte, ob sie die Hütte für einige Zeit mieten könnte. Aber dann hatte sie die Idee wieder verworfen. Die Benedicts waren viel zu ehrbare, gesetzestreue Bürger, als dass sie es hätte riskieren können, in der derzeitigen Situation Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Was war, wenn sie sich nicht nur weigerten, ihr zu helfen, sondern darüber hinaus auch noch versuchten, die Operation zu verhindern? Wenn sie versuchten, ihr Lainey wegzunehmen, so wie es Matts Vater bei diesem einen Telefonat, das sie mit ihm geführt hatte, angedroht hatte?
Schließlich war sie nur deshalb hierher gekommen, weil Denise gesagt hatte, sie könne die Angelhütte kostenlos haben. So ein Angebot auszuschlagen hätte sich Janna nicht leisten können. Und ihre Zeit in der Hütte war ohnehin begrenzt; mit ein bisschen Glück würde sie wieder fort sein, ohne dass die Benedicts je erfahren hatten, dass sie in ihrer Nähe gewesen war.
So viel zu dieser Idee.
Was, um Himmels willen, sollte sie bloß mit Clay Benedict tun? Ihre Absichten erschienen ihr mittlerweile mehr als zweifelhaft; andererseits wagte sie es aber auch nicht, ihn freizulassen. Was war, wenn Clay Benedict beschloss, sie für das, was sie getan hatte, bezahlen zu lassen? Was würde aus Lainey werden, wenn er sie wegen Freiheitsberaubung vor Gericht brachte? Es war gefährlich, den Mann weiterhin festzuhalten, aber laufen lassen konnte sie ihn auch nicht.
Als sie hinter sich auf dem Flur einen Laut hörte, lauschte sie angestrengt. Offenbar war Lainey von ihrem Mittagsschlaf aufgewacht und spielte entweder mit dem Waschbären, den Arty ihr letzte Woche mitgebracht hatte, oder schaute sich einen der Zeichentrickfilme an, die sie auf Video hatte. Janna wandte sich wieder dem Fenster zu, doch gleich darauf wurde sie erneut abgelenkt, als sie ein viel zu tiefes männliches Kichern hörte.
Ihr Herz machte einen erschrockenen Satz. Sie wirbelte herum und rannte aus der Küche. Die Tür des zweiten Schlafzimmers war geschlossen. Janna stieß sie so heftig auf, dass sie gegen die Wand krachte, dann stürzte sie ins Zimmer.
Lainey hatte sich wie bereits gestern schon neben Clay, der mit dem Rücken am Kopfteil lehnte, aufs Bett gekuschelt. Sie fuhr ihm gerade mit den dünnen Fingern über seine von den Fesseln geröteten Handgelenke. Als die beiden aufschauten, kroch ihrer Tochter die Röte in die Wangen, während sich auf dem Gesicht des Mannes blanker Hohn spiegelte.
„Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du dich von hier fern halten sollst, Fräulein“, sagte Janna missbilligend.
„Er ist so viel allein, Mama. Ich habe ihn gefragt, ob er sich allein fühlt, und er hat Ja gesagt.“
„Das ist nicht dein Problem. Komm jetzt.“ Janna machte einen vorsichtigen Schritt auf das Bett zu.
Ihre Tochter beobachtete sie finster. „Schon gut, du brauchst mich nicht wieder aus dem Zimmer zu tragen. Wir unterhalten uns doch bloß. Was ist denn so schlimm daran?“
Natürlich verstand sie das nicht. Lainey hatte keine Scheu vor Fremden. Obwohl es Janna nicht gefiel, fing sie ständig mit Leuten Gespräche an, im Hausflur des Hauses, in dem sie wohnten, in Supermärkten, in der Warteschlange vor dem Kino, überall. Vor allem aber fühlte sie sich zu Männern jeden Alters hingezogen, weshalb sie sich auch in so kurzer Zeit mit Alligator Arty angefreundet hatte. Es war unübersehbar, dass in ihrem Leben eine Vaterfigur fehlte, aber Clay Benedict war
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