Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
sie konnte es einfach nicht wagen, Lainey allein bei ihm zu lassen.
„Bist du dir sicher, dass du mir nicht helfen willst, die Färbebäder anzusetzen?“ versuchte sie ihre Tochter doch noch zu überreden.
Lainey schüttelte den Kopf. „Jetzt nicht.“
„Na gut. Dann machen wir es vielleicht morgen.“
Janna ging um das Bett herum, wobei sie darauf achtete, Clay nicht zu nahe zu kommen, falls er einen unerwarteten Satz machen sollte. Nachdem sie sich an ihren Arbeitstisch gesetzt hatte, blätterte sie ihre Zeichnungen durch, legte Malkasten und Pinsel bereit, wählte einen weichen Bleistift aus und legte ihn wieder hin, während sie sich zu konzentrieren versuchte. Sie mischte sich ein Blau zusammen und pinselte es auf ein kaltgepresstes Papier, wobei sie hoffte, dass irgendetwas von den Umrissen, die sie überpinselt hatte, zum Vorschein kommen würde. Doch nichts passierte; auf dem Papier waren nur blaue Flecke, die, wie sie jetzt sah, exakt dieselbe Farbe wie Clay Benedicts Augen hatten.
Sie gab ihre Anstrengungen auf und versuchte eine Serie kleiner smaragdgrüner Laubfrösche zu malen, die den Fröschen ähnelten, die sie heute Morgen gesehen hatte. Aber deren Augen gerieten blau und viel zu wissend. Sie spülte das Grün und Blau von ihrer Palette ab und ersetzte es durch Lavendel, doch die Wasserlilie, die sich daraus entwickelte, wirkte morbide und unheimlich, als ob sich in den zarten Krümmungen der Blätter etwas Giftiges verbergen würde.
Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sie gegen Ablenkungen viel weniger gefeit war, als sie angenommen hatte. Genau gesagt war sie so wenig dagegen gefeit, dass sie den Raum verlassen und Limonade für sie alle machen musste, um sich wieder in den Griff zu bekommen. Doch es hatte nicht viel genutzt.
Sie versuchte sich einzureden, dass sie dem Mann nur deshalb immer wieder verstohlene Blicke zuwarf, weil sie nachsehen wollte, ob mit Lainey tatsächlich alles in Ordnung war. Diese Blicke hatten nichts mit den ebenmäßigen Flächen seines Gesichts zu tun, den gemeißelten Lippen, der Leidenschaft, die in den Tiefen seinen Augen schwelte, oder der Art, wie sich sein Haar an seinen Ohren kringelte. Gewiss gab es keine Wechselbeziehung zwischen all dem und der Art, wie sich ihre Aufmerksamkeit, während er die süßsaure Zitronenlimonade schluckte, von seinem kräftigen Hals auf seine sich unter seiner Jeans abzeichnenden muskulösen Beine verlagerte. Und nichts von all dem hatte etwas damit zu tun, dass sie versehentlich den Pinsel in ihrem Limonadenglas statt in dem dafür vorgesehenen Wasserglas ausspülte.
Nach einer Weile gelang es Janna, Lainey zu überreden, von dem Bett herunterzuklettern, um mit ihr zu malen. Leicht schlurfend kam sie zu ihr herüber, ein Anzeichen dafür, dass sich die Begeisterung, mit der sie dem Vorschlag ihrer Mutter folgte, in Grenzen hielt, aber dann dauerte es nicht lange, bis sie in Formen und Farben vertieft war. Mit leicht herausgestreckter Zungenspitze, die sich vor Konzentration von einer Seite auf die andere bewegte, malte sie ein wirklichkeitsgetreues Porträt von Beulah einschließlich der scharfen Zähne in einem grinsenden Maul und Hängebauch. Als sie es Clay zeigte, schien er sehr beeindruckt zu sein, und verlieh seiner Bewunderung wortreich Ausdruck. Das spornte sie so an, dass sie sich gleich wieder an den Tisch setzte, um sich noch ein bisschen mehr Mühe zu geben. Und während Lainey die Aufmerksamkeit des Mannes auf dem Bett in Anspruch nahm, schaffte Janna es tatsächlich, ein bisschen zu arbeiten.
„Ich wünschte, ich hätte meine Kamera.“
Als sie die Bemerkung hörte, hob sie den Kopf und merkte im selben Moment, dass fast eine halbe Stunde vergangen war, ohne dass jemand gesprochen hatte. „Wozu denn, um Himmels willen?“
„Weil Sie beide zusammen so ein schönes Bild abgeben. Lainey ist wie eine Miniaturausgabe von Ihnen.“ Clay richtete sich ein wenig auf.
Janna musterte ihn argwöhnisch. „Wir sehen uns fast überhaupt nicht ähnlich.“
„Dasselbe Haar, dieselbe Gesichtsform, derselbe konzentrierte Gesichtsausdruck.“ Er hielt inne und warf ihr einen Blick zu, der besagte, dass sie es nicht wagen solle, ihm zu widersprechen.
„Ich strecke beim Malen nicht die Zunge heraus“, erwiderte sie kühl.
„Mama!“
„Nein, dafür beißen Sie sich auf die Unterlippe, wissen Sie das eigentlich?“
Sie wusste es, aber nur weil ihre Unterlippe im Winter manchmal aufgesprungen war. Statt
Weitere Kostenlose Bücher