Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
konnte nichts dagegen machen.
Wenig später – er war gerade dabei, in den Sachen auf ihrem Arbeitstisch herumzustöbern – ging die Tür auf, und gleich darauf schob sich ein kleiner blonder Kopf durch den Spalt. Lainey. Als sie sah, dass er auf war, breitete sich auf ihrem Gesicht ein verschmitztes Lächeln aus, dann schlüpfte sie ins Zimmer. Sie hatte noch ihren Schlafanzug an und hielt ein Stück Papier in der Hand.
„Was machst du?“ fragte sie.
„Nichts. Mich langweilen. Ich wünschte, ich hätte jemanden, mit dem ich reden könnte.“
„Du kannst mit mir reden.“ Sie kam an seine Seite und griff nach seiner Hand. „Das ist vielleicht besser, als Mamas Malsachen anfassen. Das mag sie nämlich nicht, und ich darf es auch nicht. Niemand darf es.“
„Sonst wird sie böse, stimmt’s?“ Obwohl er sich darum nicht allzu viel Kopfzerbrechen machte, runzelte er besorgt die Stirn, um der Kleinen zu bedeuten, dass er verstanden hatte, welche Wichtigkeit sie der Angelegenheit beimaß.
„Sehr böse. Weil sie damit nämlich das Geld für uns beide verdient.“
„Richtig.“
„Außerdem wollte ich dir was zeigen.“
Sie zog ihn zum Bett, während sie sprach, und Clay ließ es zu, da sie anscheinend versuchte, ihm Ärger zu ersparen. Nachdem er sich auf die Bettkante gesetzt hatte, fragte er: „Was willst du mir denn zeigen?“
Sie antwortete nicht, sondern hielt ihm nur schweigend hin, was sie in der Hand hielt. Automatisch griff er danach, während sein Blick auf ihrem schmalen Gesicht liegen blieb. Die Ringe unter ihren Augen waren heute Morgen noch dunkler als sonst und ihre Wangen ein bisschen aufgedunsener. Besorgt schüttelte er ein wenig den Kopf, bevor er den Blick abwandte und sah, dass es sich bei dem, was sie ihm hingehalten hatte, um ein Foto handelte.
Als er es genauer anschaute, stockte ihm der Atem. Er vergaß so lange zu zwinkern, bis seine Augen anfingen zu tränen. Das Foto hielt er so fest, dass seine Fingerspitzen taub wurden.
Er kannte das Foto. Es war eines, das er vor fast fünfzehn Jahren selbst aufgenommen hatte, als er – damals noch auf dem College – angefangen hatte zu fotografieren. Der dunkelhaarige junge Mann, den er darauf festgehalten hatte, stand in der Blüte seiner Jahre und schaute mit einem großspurigen Grinsen in die Kamera.
„Siehst du?“ fragte Lainey, während sie sich an ihn lehnte, um ebenfalls einen Blick auf das Foto zu werfen. „Ich habe dir gesagt, dass du genau wie mein Daddy aussiehst.“
Und das tat er wirklich, ganz genauso. Der Mann auf dem Foto war Clays Bruder, der seit neun unfassbar langen Jahren tot war. Es war sein Zwillingsbruder Matt, den er immer noch an jedem einzelnen Tag seines Lebens schmerzlich vermisste.
„Woher hast du das?“ fragte Clay heiser.
„Es gehört Mama. Sie hat es schon lange, schon bevor ich auf der Welt war.“
„Woher weißt du, dass das dein Vater ist?“
„Na, weil sie es mir gesagt hat.“ Die Kleine schaute ihn an, als ob er unglaublich begriffsstutzig wäre. „Sie weiß es, weil sie meine Mama ist.“
„Hat sie dir sonst noch etwas erzählt?“
„Sie hat gesagt, dass er tot ist, dass er schon gestorben ist, bevor ich auf der Welt war. Aber ich hab gedacht …“
Clay schaute sie an. „Was dachtest du, Erbse?“
Sie musterte ihn, und ihre großen blauen Augen schweiften über sein Gesicht. „Ich hab gedacht, dass das ja vielleicht so nicht stimmt. Dass wir vielleicht deshalb hierher gekommen sind und warum sie dich hier angebunden hat.“
Lainey hielt sich für seine Tochter, auch wenn man ihr etwas anderes erzählt hatte. Aber das war unmöglich. Das Foto war Beweis genug, doch was noch weit schwerer wog, war die Tatsache, dass er sich garantiert erinnern würde, wenn er je mit Janna Liebe gemacht hätte.
Matt, Laineys Vater. Einen Verdacht zu haben war das eine, aber es sicher zu wissen, war etwas ganz anderes. Matt war ein unbekümmerter Typ gewesen, der die Frauen geliebt und es genossen hatte, dass er von ihnen ebenfalls geliebt wurde, aber er war nie verantwortungslos gewesen.
Clay erinnerte sich daran, wie sich sein Vater über Frauen ereifert hatte, die sich absichtlich schwängern ließen, damit sie geheiratet wurden. Der alte Mann konnte bei diesem Thema richtig rabiat werden, nicht nur, weil er angeblich selbst in so eine Falle gelockt worden war, sondern weil er seinen eigenen Worten nach am Ende dann auch noch mit vier Jungen dagesessen hatte, die er allein hatte
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