Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
Werkzeugkoffer, den sie vorher schon gesehen hatte. Da jeder Gegenstand an seinem Platz lag, konnte man vermuten, dass Clay Benedict – zumindest was seinen Beruf anbelangte – ein ordentlicher, methodischer Mann war. Das stimmte zwar nicht ganz mit ihrem Bild von ihm als charmantem Leichtfuß überein, der eher aus Spaß in den Sümpfen herumzustreifen als zu arbeiten schien, aber jeder Mensch hatte eben mehrere Seiten. Nachdem sie den Werkzeugkasten herausgenommen hatte, hängte sie sich die Tasche über die Schulter und ging damit über den Flur ins Gästezimmer.
Als sie eintrat, schaute Clay auf, dann warf er die Zeitschrift beiseite, in der er las und die er sich offenbar von ihrem Arbeitstisch geholt hatte. „Wirklich kein schlechter Service. Daran könnte ich mich direkt gewöhnen.“
„Lieber nicht“, erwiderte sie schroff, während sie die Tasche aufs Bett warf. „Es wird nicht so weitergehen.“
„Heißt das, dass Sie mich freilassen?“
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, dann drehte sie sich um und ging wieder zur Tür.
„Warten Sie“, sagte er eilig. „Bleiben Sie noch ein bisschen.“
„Es ist spät. Ich brauche dringend ein wenig Schlaf.“
„Bevor Lainey wieder aufwacht?“
Sie nickte kurz.
„Und mich wollen Sie hier allein lassen, wo ich zum Reden außer mir selbst niemanden habe.“
„Tut mir Leid.“
„Das glaube ich kaum. Aber Sie könnten mir wenigstens verraten, worum es eigentlich geht. Was wollen Sie von mir? Womöglich Lösegeld, um sich damit eine Niere zu kaufen?“ Er sah Janna herausfordernd an.
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Durch Nachdenken und durch Lainey. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass Sie bestimmt von irgendeiner Stelle finanzielle Hilfe bekommen könnten.“
„Dieses Glück ist mir leider nicht beschieden“, gab sie spitz zurück. „Was glauben Sie denn, wie viel Sie wert sind?“
„Weniger, als Sie vielleicht denken. Außerdem frage ich mich, wer sich um Ihre Tochter kümmert, wenn Sie im Gefängnis sitzen.“
„Darüber zerbreche ich mir später den Kopf. Im Moment habe ich noch alles unter Kontrolle.“
„Einschließlich der Tatsache, dass Sie, nur um Ihrem Beruf nachzugehen, Laineys Leben aufs Spiel setzen?“
Sein Blick war hart, und Janna wäre bereit gewesen zu schwören, dass in seiner Stimme echte Wut mitschwang. Sie sagte: „Von irgendetwas müssen wir schließlich leben. Aber nett, dass Sie sich Sorgen machen, besonders weil Sie gar nichts darüber wissen.“
„Ich weiß genug, um zu begreifen, dass Sie mit Ihrem Aufenthalt hier Laineys Leben in Gefahr bringen. Was denken Sie sich eigentlich dabei?“
Sie lächelte grimmig. „Vielleicht sind Sie ja hier, um mir zu helfen, auf sie aufzupassen.“
„Sie scherzen.“
„Warum? Sie haben in Ihrem Arztkoffer Medikamente.“
„Ich bin Tierarzt!“
„Wenn es nötig wäre, würden Sie handeln“, sagte sie so entschieden, wie sie konnte.
„Sie sind ja verrückt.“
Janna hatte das Gefühl, dass er versuchte, leise zu sprechen, um Lainey nicht aufzuwecken, wodurch die Frustration, die in seinem Ton mitschwang, noch offensichtlicher wurde. „Nun, da haben Sie Ihre Erklärung.“
Er starrte sie an. „Das glaube ich nicht“, sagte er schließlich. „Ich denke, dass Sie noch irgendwas anderes im Schilde führen. Ich weiß zwar nicht was, aber ich habe das Gefühl, dass es Ihnen selbst nicht ganz geheuer ist. Sie sind nervös und jederzeit bereit, um sich zu schlagen, wenn Ihnen jemand zu nahe kommt. Dagegen ist nichts zu sagen, aber Sie dürfen sich nicht wundern, wenn man zurückschlägt.“
„Darf ich das als Warnung auffassen?“
„Fassen Sie es auf, wie Sie wollen.“
Trotzig hob sie das Kinn. „Wenn das Ihre Vorstellung von einer geistreichen Unterhaltung ist, die dazu angetan ist, Ihre Langeweile zu vertreiben, muss ich leider passen. Gute Nacht.“
Sie wirbelte so schnell herum, dass die Schöße ihres nur lose zugeknoteten Morgenrocks aufflogen. Eilig raffte sie sie zusammen und beugte den Kopf, um die Enden des Gürtels zu suchen. Da hörte sie hinter sich ein leises Geräusch, und gleich darauf verspürte sie im Nacken ein warnendes Kribbeln. Sie riss den Kopf hoch.
Bevor sie sich in Sicherheit bringen konnte, war er auch schon bei ihr und drängte sie gegen die Wand neben der offenen Tür. Sie stieß ein erschrockenes Keuchen aus. Er packte ihr rechtes Handgelenk und presste es mit seiner Linken neben ihre Halsbeuge, wobei sich sein
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