Der Benedict Clan - Zwischen Hoffen und Bangen
großziehen müssen, nachdem ihre Mutter weggegangen war. Aber bei Clay, der von seiner Mutter eine etwas andere Version der Geschichte gehört hatte, war er damit auf taube Ohren gestoßen. Und bei Matt war es bestimmt nicht anders gewesen. Nein, an dieser Sache musste mehr dran sein.
„Tut mir Leid, Erbse“, sagte er ruhig. „Jeder Mann wäre stolz, dich als Tochter zu haben, aber ich bin nicht dein Dad.“
„Aber du siehst genauso aus wie der Mann auf dem Foto“, widersprach Lainey.
„Er war mein Zwillingsbruder.“
„Weiß Mama das?“ Ihre Augen waren riesig, während sie auf seine Antwort wartete.
„Bestimmt.“
Das Kind stieß einen tiefen Seufzer aus. „Das hab ich mir schon gedacht, weil Mama ganz viel weiß. Aber es könnte ja sein, dass sie sich wegen dir vielleicht geirrt hat, und fragen tut ja nicht weh.“
Mir schon, dachte Clay. Es tat weh, ihre Enttäuschung sehen und sich vorstellen zu müssen, was er für sie und Janna alles hätte tun können, wenn er es früher gewusst hätte. Es tat weh darüber nachzudenken, warum Janna etwas so Wichtiges wie Laineys Existenz vor der Familie geheim gehalten hatte – und auch, was dies damit zu tun haben könnte, dass sie ihn hier festhielt.
Clay legte das Foto hin und griff dann nach seiner Kamera, wie so oft, wenn er versuchte, sich über etwas klar zu werden. Er nahm sie mit einer Hand aus der Tasche, stellte sie scharf und machte dann schnell hintereinander ein paar Nahaufnahmen von Lainey. Sie schnitt ein Gesicht, das er ebenso einfing wie das anschließende naserümpfende Grinsen.
Während er fotografierte, registrierte sein Gehirn jede Einzelheit der zarten Gesichtszüge, die er durch den Sucher sah. Nach und nach wurde ihm klar, was ihm an diesem ersten Morgen an ihr so vertraut erschienen war. Die Familienähnlichkeit war unverkennbar – vor allem wenn er an Kinderfotos von sich und seinen Brüdern dachte. Die weit auseinander stehenden Augen, die hohe Stirn, die ausgeprägten Wangenknochen und das entschlossene Kinn, alles war so wie auf diesen Fotos. Ein paar Dinge allerdings waren anders – das schöne, silberblonde Haar, die zierliche gerade Nase und den schön geformten Mund hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Dennoch war das Benedict-Erbteil unverkennbar. Die alten Ladys von Turn-Coupe, die Familienähnlichkeiten durch zahllose Generationen hinweg zurückverfolgen konnten, hätten sie in einer Sekunde eingeordnet.
„Lainey, Schatz, Zeit fürs Frühstück.“
Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt gewesen, dass er Janna nicht hatte hereinkommen hören. Langsam ließ er die Kamera sinken und musterte sie eingehend. Er sah die kaum wahrnehmbare Röte, die ihr in die Wangen kroch, dann hob sie das Kinn und warf sich in einer Geste, die ihm mittlerweile schon vertraut war, ihren langen silberblonden Zopf über die Schulter. In ihren grauen Augen lag Auflehnung, als ob sie erwartete, dass er wegen letzter Nacht irgendeine spöttische Bemerkung machen könnte. Was er vielleicht sogar getan hätte, wenn Lainey nicht da gewesen wäre und er nicht andere Dinge im Kopf gehabt hätte – wie zum Beispiel, dass Lainey seine Nichte war.
Aber er wollte Janna erst zur Rede stellen, nachdem er sich über das Problem noch ein paar Gedanken gemacht hatte. Mit einer unauffälligen Bewegung ließ er das Foto von Matt in seiner Hand verschwinden, dann legte er den Arm um Lainey. Nachdenklich schaute ihn das Mädchen aus großen Augen an, woraus er schloss, dass sie es bemerkt hatte. Sie sagte jedoch nichts, und Clay umarmte sie kurz, wobei er wieder ein seltsames Gefühl von Nähe zu dem Mädchen verspürte.
„Los jetzt“, sagte Janna mit einer schnellen, befehlenden Geste. „Du musst duschen, und dann machen wir Buchweizenpfannkuchen. Die isst du doch so gern.“
Bei Laineys Zustand waren Pfannkuchen aller Art ein fast verbotener Leckerbissen, aber die aus Buchweizenmehl waren vertretbarer als normale. Es war schlicht und ergreifend eine Bestechung und ebenso ein Hinweis darauf, wie sehr Janna daran gelegen war, ihre Tochter von Clay fern zu halten. Sie schien sich sicher zu sein, dass er versuchte, Lainey gegen sie auszuspielen, und nach gestern Abend war sie vielleicht noch beunruhigter.
„Entspannen Sie sich“, sagte er. „Mit ihr ist alles in Ordnung.“
„Wirklich?“ Ihr Tonfall war wesentlich feindseliger als der Ausdruck in ihren Augen.
„Ich führe keinen Krieg mit Kindern.“
„Nur mit erwachsenen Frauen?“ fragte
Weitere Kostenlose Bücher