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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & Gordon Eklund
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Teilgravitation sanft an seinen Arterien zerrte und den loyalen Strom seines Blutes verlangsamte. „Ohnehin ist das kein besonders eindrucksvoller Anblick, wenn er alle achtzehn Sekunden vorbeikommt und du stehst mit den Füßen drauf.“
    „Dann solltest du ihn direkt erleben. Das ist es ja, was ich will. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich zwischen Wänden von Computerlehrern verbracht, zwischen Büchern und Biodaptern, die mich ständig anstarrten. Ich wußte ja kaum, daß es noch etwas anderes gab. Es hat Jahre gedauert, bis mir klar wurde, daß ich aufhören mußte, wie eine gehorsame Ratte durch ein maßgeschneidertes Labyrinth zu rennen. Das Schwierige am Dasein eines Manip ist es, daß man nie eine Chance bekommt, für die Welt die Beine breitzumachen.“
    „Ich habe immer gedacht, das hättest du ausreichend getan?“
    „Das war nicht mehr, als mir zustand.“ Mara lächelte breit, ein unerwarteter Ausbruch schieren Vergnügens. „Man hat mich gewogen und als wollüstig befunden.“
    Bradley sah plötzlich wie in einer Traumvision vor sich, wie sie sich paarte, lautlos, irgendwo, mit gespreizten Beinen, ihre glatte Haut mit Schattentupfen gesprenkelt. Der endlose Beat der Biologie. Der salzige Moschusduft einer Frau stieg ihm in die Nase, und das Tempo beschleunigte sich. Das menschliche Wesen als eine besonders effiziente Methode der RNS-Ubertragung. Lange Kettenmoleküle, die sich wanden und umeinanderschlangen, Phosphor und Wasserstoff zu Spinnen und Salamandern preßten. Der endlose, verschlungene Pfad der Evolution; um ihn zu verstehen, braucht man St. Paulus und Paul Tillich, Pauli und Paul McCartney. Gott erfand den Orgasmus, damit wir wissen, wann wir aufhören müssen.
    Er merkte, daß lange Zeit Schweigen geherrscht hatte. Als er etwas sagen wollte, begann der Monitor auf seinem Tisch zu fiepen. Automatisch betätigte er einen Schalter, und hinter Mara öffnete sich die Tür wie die Schwingen eines Pterodaktylos. Ein Mann steckte seinen Kopf herein. „Die Besprechung hat schon angefangen, Bradley.“
     
    Mara zog in aller Seelenruhe eine sechs Zoll lange, schwarze Zigarre aus ihrer Hüfttasche und schälte sorgfältig die Plastikhülle ab. Sie knüllte sie zu einer Kugel zusammen und warf sie ziellos irgend jemandem über die Schulter. Dann nahm sie die Zigarre in beide Hände, legte sie der Länge nach zwischen ihre Lippen und befeuchtete behutsam das Deckblatt von einem Ende zum andern. Langsam schob sie sich die Spitze in den Mund, biß das Ende ab und spuckte aus.
    Dann riß sie ein Streichholz an.
    Jetzt erst reagierte Tom Rawlins. „Bradley, ich protestiere. Können wir hier drinnen nicht wenigstens die Luft sauberhalten?“ Tom Rawlins war es, den Mara neben Bradley am liebsten aufs Korn nahm. Er war ein fetter, wichtigtuerischer Mann und mehr oder weniger verantwortlich für die Rückholaggregatsysteme. Ein oder zweimal hatte es tatsächlich so ausgesehen, als ob er wüßte, was er tat.
    Sie paffte an ihrer Zigarre und unterdrückte ein Bedürfnis zu husten. „Ich möchte mich entspannen.“
    „Und das ganze Orb vergiften“, sagte Rawlins.
    „Beweisen Sie mir das.“ Mara schnippte die Asche ab.
    „Was?“
    „Ich sagte, beweisen Sie das. Das ganze Orb vergiften – zeigen Sie mir, wie.“
    „Aber ich könnte doch kaum … Ich kann doch nicht einfach …“
    „Ich kann.“ Mara machte ihm eine schnelle Rechnung auf: Luftvolumen des Orb, Zyklusrate, menschliche Durchschnittsexhalation, Luftstrom im Sitzungsraum. „Selbst wenn wir alle rauchten, würde niemand vergiftet werden.“ Sie blies eine dicke, blaugraue Rauchwolke zu Rawlins hinüber.
    Er wurde rot wie ein Radieschen; es sah nicht gut aus. Bradley sprang in die Bresche. „Tom, wir wissen alle, wie sie ist. Lassen Sie ihr ein paar von ihren Überspanntheiten. Wir werden’s überleben.“
    „Wenn wir nicht ersticken.“
    Mara wiederholte das Endergebnis ihrer Rechnung und ließ eine zweite Rauchwolke los.
    Alle waren zugegen: ein Dutzend Männer und sie, die einzige Frau. Und auch Corey, was immer es war. Sie fand es amüsant, daß man, bei allem Gerede auf der Erde über die endlich erreichte Gleichheit der Geschlechter, wenn man in die oberen Bereiche einer beliebigen Gruppe oder eines Berufes vordrang, unweigerlich auf bärtige Gesichter stieß. Die einzige Ausnahme bildeten wahrscheinlich die Huren, und auch das, glaubte sie, könnte sich noch ändern.
    Mitunter fragte sie sich, womit sie sie wohl am meisten

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