Der Bernstein-Mensch
wüßte ich auch nichts.“
„Ich werde hierbleiben“, sagte Mara. „Dies ist mein Zimmer. Außerdem können wir auf diese Weise auch Bradley zufriedenstellen.“
„Und Ihnen geht es gut?“
Die Frage verwirrte Mara. Wieso wollte diese Frau das wissen? „Ja, mir geht es gut.“
„Ich frage danach …“ Plötzlich wirkte sie verlegen, „… weil ich dabei war, als der Unfall passierte.“
„Ich erinnere mich.“
„Tatsächlich? Ich weiß, daß wir uns vorher noch nicht begegnet waren.“
„Wenige Leute im Orb sind Mara begegnet“, sagte Bradley.
„Worüber sie zweifellos froh sind.“
„Oh nein“, protestierte Norah Mann. „Glauben Sie das nicht. Ich kann sicher nicht für alle anderen sprechen, aber ich habe mir immer gewünscht, Sie kennenzulernen. Wenn man sich vorstellt – Sie wissen so viel. Sie könnten sich doch mit allen unterhalten, und niemand würde sich dabei langweilen. Ein Problem mit dem Orb ist es, daß alle solche Spezialisten sind und daß es von jeder Kategorie so wenige gibt. Es ist schwierig, jemanden zu finden, mit dem man reden kann. Man kann nicht einmal auf das Wetter zurückgreifen. Wir haben hier keins.“
„Es ist nett, daß Sie das sagen“, meinte Mara.
„Na, es stimmt. Alle haben auf Ihre Ankunft gewartet, aber dann sind Sie gekommen und gleich wieder verschwunden. Sie haben sich mit dem Puzzle befaßt, zusammen mit ihnen …“ – verstohlen wies sie mit dem Kinn auf Bradley – die Machtelite des Orb – „… und wir bekamen Sie kaum zu Gesicht.“
„Vielleicht kann ich das ändern“, sagte Mara.
„Oh, wir würden uns freuen. Sie sind anders. Hier draußen wird sich alles so ähnlich. So monoton.“
„Selbst wenn meine Leute drohen, die Welt in die Luft zu sprengen?“
„Das sind doch nicht Sie“, sagte Norah Mann. Sie war offensichtlich aufrichtig. Es tat gut, Worte zu hören, die nicht von Implikationen überschattet waren.
„Wer ist es dann?“
„Solche wie das da.“ Sie zeigte auf den schweigenden, stummen Corey. „Sie … Sie sind nicht viel anders als wir anderen. Nur klüger.“
In den zwei Tagen, die vergangen waren, seit Corey sich so merkwürdig zurückgezogen hatte, war Mara nicht ein einziges Mal aus der ruhigen Umgebung ihres Privatzimmers herausgekommen. Sie legte den Telefonhörer auf, drehte sich von der Wand weg und sagte zu Kurt Tsubata: „Bradley kommt her.“
„Jetzt?“
„Ja.“
Tsubata lächelte bewundernd. „Du hättest mich auch überzeugt. Aber …“ Er berührte die Zeichnung von dem Puzzle. Sie lag neben ihm auf der zweiten Bettstatt. „… ist da wirklich etwas dran?“
Mara durchquerte das Zimmer, um sich zu setzen. Vorsichtig schob sie sich an Corey vorbei. „Ich sehe es so, Kurt. Was ist das ganze Puzzle? Es geht um Kommunikation, das ist alles. Sie sprechen eine Sprache, und wir sprechen eine andere. Wer wäre da besser geeignet, das Rätsel zu lösen, als ich? Ich spreche auch nicht dieselbe Sprache.“
„Für mich klingt es wie Englisch.“
„Ja und nein. Ich habe nichts gegen dich, aber weder du noch irgendein anderer Mensch kann auch nur im geringsten verstehen, was im Innern meines Verstandes vor sich geht. Und ich bin noch nicht halb so unergründlich wie beispielsweise Corey.“
„Weil du intelligent bist?“
„Unter anderem.“
„Weil du keine Eltern hattest?“
„Das ist nicht so wesentlich. Nein, es ist einfach, weil ich anders bin – ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll.“ Sie lächelte. „Wenn ich es besser beschreiben könnte, würde es das Problem überhaupt nicht geben.“
Bradley kam überraschend schnell. Die Falten in seinem Gesicht schienen sich in den letzten Tagen verbreitert und vermehrt zu haben. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, spürte Mara die wahren Auswirkungen, die das ungeheure Alter dieses sonderbaren Mannes hatte. Er hatte immer wie fünfzig oder höchstens sechzig ausgesehen. Jetzt hatte er die hundert hinter sich gelassen.
„Gerade als ich mein Büro verließ, kam wieder ein Signal herein. Das Ultimatum ist noch einmal verlängert worden.“
„Welches Ultimatum?“ fragte Tsubata.
Bradley runzelte ärgerlich die Stirn. „Das, welches ihre Nippies gesetzt haben, ehe sie zehn Millionen Menschen vernichten.“
„Sie werden es nicht tun“, sagte Mara. „Du hattest die ganze Zeit recht, Bradley. Es ist nur ein Bluff.“
Ihre Worte trösteten ihn nicht. Er hockte sich auf den Boden in den grauen Schatten des Schachtisches.
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