Der Bernstein-Mensch
und den subtilen Reiz des Wettstreits mit ihnen nicht. Arbeit und enge Zimmer hatten ihn wunderlich werden lassen.
„Ich glaube, deshalb sind sie trotz ihres Alters technologisch zurückgeblieben. Sie haben im Grunde kein Gefühl für Maschinen, sie haben sich nie an sie gewöhnt. Als sie für ihre Religion ein Raumschiff brauchten, bauten sie es so ungeschickt, wie man es sich nur vorstellen kann; es grenzt an ein Wunder, daß es überhaupt funktioniert.“ Reynolds hielt inne. Er fühlte sich beschwingt. „Sie leben in dieser Maschine, aber sie mögen sie nicht. Sie erfüllen sie mit Gestank, damit sie sich anfühlt wie eine Koppel. Sie mißtrauten dem Recorder, den ich bei mir hatte. Sie müssen große Sehnsucht nach den Sternen haben, um sich so weit von ihrer Natur zu entfernen, nur um sie zu erreichen.“
Kellys Lippen strafften sich und ihre Augen wurden schmal. Reynolds sah, daß ihr Gesicht seinen gewöhnlichen Ausdruck wiedergewann.
„Das ist alles schön und gut, Dr. Reynolds“, sagte sie, und es war wieder die alte Kelly, jene, die er kannte; die Kelly, die immer wieder obenauf war. „Aber es ist eine Spekulation. Wir brauchen Tatsachen. Ihr Raumschiff ist nicht elegant, aber es funktioniert. Sie müssen Daten und Photographien von Sternen haben. Sie wissen Dinge, die wir nicht wissen. Es gibt zahllose Details, die wir nur herausfinden könnten, wenn wir die Reise selbst machten – und selbst mit ihrem Schiff wird das Jahrhunderte dauern. Houston sagt, dieser Bombenwerfer kann höchstens ein Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Ich will …“
„Ich werd’s versuchen“, unterbrach er. „Aber ich fürchte, es wird nicht einfach sein. Immer wenn ich versuche, ein Thema zu berühren, über das er nicht reden will, erzählt mir dieser Alien die allerphantastischsten Lügen.“
„Oh?“ sagte Kelly mißtrauisch, und er bedauerte sogleich, daß er es erwähnt hatte, denn jetzt brauchte er noch eine Viertelstunde für weitere Erklärungen, bevor sie ihn aus den Wänden ihres Büros entfliehen ließ.
Und jetzt war er wieder daheim – in seinem Zimmer. Er ließ sich flach auf das Bett sinken und starrte mit weitaufgerissenen Augen in die dunkle Leere. Er wäre gern hinausgegangen, um das Observatorium zu besuchen, aber Kelly hatte ihn von allen Aufgaben befreit, bis die Alien-Geschichte geklärt war. Er nahm an, daß das als Befehl gemeint gewesen war. Ganz sicher. Eines mußte man ihr lassen: Sie sagte selten etwas, wenn es nicht als Befehl gemeint war.
4
Sie kamen und weckten ihn. Er hatte gar nicht vorgehabt zu schlafen. In seinem Zimmer war es noch stockfinster, und weit weg trommelte eine Faust wütend gegen eine Tür. Langsam und in aller Ruhe stand er auf und ließ den Mann herein. Dann schaltete er das Licht ein.
„Kommen Sie schnell zum Direktor“, sagte der Mann atemlos.
„Was will sie?“ fragte Reynolds.
„Woher soll ich das wissen?“
Reynolds zuckte die Achseln und wandte sich zum Gehen. Er wußte, was sie wollte. Es mußte um die Aliens gehen; Jonathon war wieder bereit, ihn zu empfangen. Nun, ihm sollte es recht sein, dachte er und betrat Kellys Büro. Ihrem Gesichtsausdruck entnahm er, daß er richtig geraten hatte. Und ich weiß genau, was ich ihnen erzählen werde, dachte er.
Irgendwann, während er schlief, hatte Reynolds eine wichtige Entscheidung getroffen: Er hatte beschlossen, Jonathon die Wahrheit zu sagen.
Als er sich dem fremden Raumschiff näherte, fand Reynolds, daß es ihn nicht mehr so stark an seine Wohnung in Sào Paulo erinnerte. Jetzt, wo er es von innen gesehen und die Wesen kennengelernt hatte, die darin lebten, empfand er anders darüber. Jetzt fiel ihm auf, in welch bemerkenswerter Weise dieser seltsam verknotete
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