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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Gregory & Eklund Benford
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Mund­win­keln. „Ein ‚Pol-Som­mer’ muß das sein, was die Er­de hat.“
    „Oh“, sag­te der Mann kläg­lich.
    „Sie ha­ben den ‚Groß-Som­mer’ aus­ge­las­sen, mei­ne Lie­be“, sag­te Reynolds mit ei­nem schma­len Lä­cheln.
    „Was ist das?“ frag­te Kel­ly vor­sich­tig.
    „Wenn der ‚Pol-Som­mer’ mit dem ‚Bahn-Som­mer’ zu­sam­men­fällt, was er ja ir­gend­wann im­mer wie­der tut.“
    „We­gen der El­lip­se“, setz­te Kel­ly hin­zu.
    „Ge­nau.“ Reynolds schürz­te die Lip­pen.
    „Was gibt es sonst noch?“ frag­te Kel­ly.
    „Aus Jo­na­thons Wor­ten ent­neh­me ich, daß die Axial­nei­gung sei­ner Welt ih­re Rich­tung än­dert – vor­wärts –, und zwar ra­pi­de.“
    „Und?“
    „So et­was wür­de die Jah­res­zei­ten noch ver­stär­ken. Ich möch­te nicht da­bei sein, wenn das ge­schieht. Of­fen­bar möch­te Jo­na­thons Ras­se das auch nicht.“
    „Wie ver­mei­den sie das?“ frag­te Kel­ly auf­merk­sam.
    „Sie wan­dern. Auf der einen He­mi­sphä­re herrscht ein halb­wegs er­träg­li­cher Som­mer, wäh­rend man auf der an­de­ren bei le­ben­di­gem Lei­be ge­bra­ten wird. Al­so ge­hen sie auf die ers­te. Die gan­ze Ras­se.“
    „No­ma­den – ei­ne gan­ze Kul­tur, mit ei­nem Ruck­sack ge­bo­ren“, sag­te Kel­ly ge­dan­ken­ver­lo­ren. Reynolds hob ei­ne Au­gen­braue. Es war das ers­te Mal, daß er et­was von ihr hör­te, das nicht knapp, ef­fek­tiv und un­in­ter­essant war.
    „Ich glau­be, aus die­sem Grun­de züch­ten sie Wei­de­vieh. Um es leich­ter, ja so­gar not­wen­dig zu ma­chen, in Be­we­gung zu blei­ben. Ein ‚Groß-Som­mer’ läßt die gan­ze Ve­ge­ta­ti­on ver­dor­ren; ein ‚Groß-Win­ter’ – die muß es ja auch ge­ben – läßt einen gan­zen Kon­ti­nent zu Eis ge­frie­ren.“
    „Mein Gott“, sag­te Kel­ly lei­se.
    „Jo­na­thon sprach von un­ge­heu­ren Stür­men, von Wind, der ihn zu Bo­den wer­fen konn­te, von Sand, der ihn über Nacht in den Dü­nen be­grub. Die dras­ti­schen Kli­ma­ver­än­de­run­gen müs­sen Hur­ri­kans und Tor­na­dos zur Fol­ge ha­ben.“
    „Durch die sie hin­durch­wan­dern müs­sen“, mein­te Kel­ly. Reynolds merk­te, daß es selt­sam still im Raum war.
    „Es scheint, daß Jo­na­thon auf ei­nem die­ser Trecks ge­bo­ren ist. Sie ha­ben nicht viel Schutz, weil die Fel­sen durch die Ero­si­on von Win­den und Win­tern ver­schwun­den sind. In ei­ner sol­chen Um­ge­bung muß es schwie­rig sein, ir­gend­ei­ne Tech­no­lo­gie zu ent­wi­ckeln. Da ist es, den­ke ich, un­ver­meid­lich, daß sie zum Glau­ben an die Astro­lo­gie ka­men.“
    „Was?“ frag­te Kel­ly über­rascht.
    „Na­tür­lich.“ Reynolds sah sie mit un­be­weg­tem Ge­sicht an. „Wie soll ich es sonst nen­nen? Wenn so viel da­von ab­hängt, daß sie die Ster­ne rich­tig le­sen, um die ge­naue Jah­res­zeit zu ken­nen und zu wis­sen, wann der nächs­te ‚Groß-Som­mer’ kommt, könn­te es da einen an­de­ren Glau­ben für sie ge­ben? Astro­lo­gie muß­te die ein­zi­ge, die un­an­zwei­fel­ba­re Re­li­gi­on sein – denn sie funk­tio­nier­te!“ Reynolds lä­chel­te bei sich, als er sich ei­ne Her­de von atheis­ti­schen Gi­raf­fen vor­stell­te, die sich ver­lo­ren durch einen Sand­sturm kämpf­ten.
    „Ich ver­ste­he“, sag­te Kel­ly, of­fen­sicht­lich rat­los. Die Män­ner stan­den hilf­los her­um; sie wuß­ten nicht, was sie an­ge­sichts ei­nes sol­chen Bün­dels von un­wahr­schein­li­chen Ide­en noch sa­gen soll­ten. Reynolds spür­te Freu­de in sich auf­stei­gen. Ei­ne ver­lo­re­ne Fä­hig­keit sei­ner Ju­gend war zu­rück­ge­kom­men: sich als den Mit­tel­punkt der Din­ge zu se­hen, als den ein­zi­gen Schau­spie­ler auf ei­ner Büh­ne, der sich aus ei­ge­nem An­trieb be­weg­te, sei­nen ei­ge­nen, un­ge­schrie­be­nen Text sprach. So fühlt sich die Welt an, wenn du ge­winnst, dach­te er. Das war es, was er ver­lo­ren hat­te, was der Mars ihm ge­nom­men hat­te, wäh­rend der lan­gen Heim­rei­se mit dem halb wahn­sin­ni­gen Paul Smith, in tiefs­ter Stil­le und äu­ßers­ter Ein­sam­keit. Da hat­te er sich ge­prüft und einen in­ne­ren Kern ge­fun­den, war zu dem Glau­ben ge­kom­men, er brau­che die Men­schen

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