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Der Bernstein-Mensch

Der Bernstein-Mensch

Titel: Der Bernstein-Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Gregory & Eklund Benford
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Pho­to, ei­ne fremd­ar­ti­ge, ent­fern­te Epi­so­de aus ei­ner ver­wit­ter­ten Ge­schich­te? Man­ches von dem, was je­ner jün­ge­re Mann ge­tan hat­te, konn­te er ver­ste­hen, aber nie­mals wür­de er ein­fach in sei­nen straf­fen Kör­per schlüp­fen oder die glei­chen leich­ten, sprin­gen­den Ge­dan­ken ent­wi­ckeln kön­nen. Sei­ne Li­der wa­ren jetzt dun­kel und runz­lig, sei­ne Na­se war flei­schig, und sei­ne Haut hat­te einen leich­ten Oli­ven­ton an­ge­nom­men. Wir sind mehr als nur Pas­sa­gie­re in der Hül­le ei­nes Kör­pers, dach­te er. Das Fleisch formt und ver­zerrt uns, wir­belt uns her­um und rich­tet uns da­hin, wo die Kor­pus­kel, Ar­te­ri­en und Drü­sen es ver­lan­gen. Die Tat­sa­che, daß der von sei­nem Kör­per ge­setz­te Kurs sich mit der Zeit ver­la­gert hat­te, schi­en kaum von Be­deu­tung. Der Geist im In­nern lern­te, ver­gaß und sor­tier­te De­tails und Er­in­ne­run­gen, oh­ne je zu er­fah­ren, wie der Kör­per – im­mer schwei­gend, im­mer un­an­ge­foch­ten herr­schend – die­se Din­ge ab­ge­wo­gen hat­te, be­vor er sie zum Be­wußt­sein brach­te. Der Geist er­lag Il­lu­sio­nen, der Kör­per nie­mals. „Ich bin zu alt“, sag­te er zu Carr.
    „Zu alt zum Re­den?“
    „Ja. Weil ich das nicht bin. Ich bin nicht mehr die­ser Mann.“
    „Aber die al­ten Leu­te ver­eh­ren Sie im­mer noch.“
    Das hat­ten die an­de­ren auch ge­sagt. Die Al­ten und die Ster­ben­den, de­ren Zahl so auf­ge­bläht und de­ren Iso­la­ti­on so starr war, daß sie ei­ne ei­ge­ne, welt­wei­te Sub­kul­tur ent­wi­ckelt hat­ten – sie hat­ten Br­ad­ley Reynolds zu ih­rem Hel­den er­ho­ben. Warum? Für sie, für die Mü­den, die Ver­brauch­ten, die An­ti­ken, strahl­te er wie ein fer­nes, hel­les Leucht­feu­er – der Mann, der al­les ge­tan und es dann fort­ge­wor­fen hat­te.
    „Las­sen Sie mich al­lein.“
    „Ich fürch­te, ich kann ein Nein nicht ak­zep­tie­ren. Es geht hier um die Zu­kunft der mensch­li­chen Ras­se.“
    Carr griff wie­der in die Ta­sche. Noch ein­mal die Vor­la­dung? Oder ei­ne Pis­to­le?
    „Ich ha­be nicht nein ge­sagt. Ich ha­be ge­sagt, las­sen Sie mich nach­den­ken!“
    Un­ter der Ge­walt von Br­ad­leys Wut­aus­bruch wich Carr zu­rück zur of­fe­nen Tür. „Bis wann?“ rief er vom Gang her­ein.
    „Ich wer­de Ih­nen ant­wor­ten, wenn es dun­kel wird“, ver­sprach Br­ad­ley.
    Aber es dau­er­te län­ger, viel län­ger, denn er war ge­zwun­gen, den Glau­ben und das Han­deln von fünf­und­drei­ßig Jah­ren in sei­ne Über­le­gun­gen ein­zu­be­zie­hen. Er saß auf dem Bo­den sei­ner Zel­le und be­nutz­te die Me­tho­den der Ge­gen­wart, um sei­ne Sehn­süch­te der Ver­gan­gen­heit zu er­for­schen. Er stu­dier­te sei­ne nack­ten Un­ter­ar­me, die so knor­rig wie al­te Ul­men wa­ren, und ver­such­te da­bei, ei­ne ein­zi­ge Ket­te von ra­tio­na­len Ge­dan­ken zu er­fas­sen und zu ver­fol­gen. Trotz der har­ten Stein­plat­ten, auf de­nen er saß, schi­en die Welt zu zer­schmel­zen; die Luft kräu­sel­te sich in un­sicht­ba­rer Ak­ti­vi­tät. Er­eig­nis­se wie­der­ho­len sich und keh­ren wie­der, dach­te er – Er­eig­nis­se und Men­schen und Ide­en bil­den sich wie­der und wie­der, ent­wir­ren und ver­schlin­gen sich, wir­beln im Kreis, in end­lo­ser Wie­der­kehr. Man darf sich nicht vor der Rück­kehr in die Ver­gan­gen­heit fürch­ten. Al­les fließt von al­lein und oh­ne na­tür­li­che Gren­zen. Die For­schung bleibt ei­ne Auf­ga­be oh­ne En­de. Aber Br­ad­ley fühl­te, daß das nicht al­les sein konn­te. Die Er­eig­nis­se wa­ren wie ei­ne Speer­spit­ze, und die Zeit und das mensch­li­che Le­ben wa­ren auf et­was ge­rich­tet. Er wei­ger­te sich, den Men­schen als ani­mier­tes Senf­korn zu se­hen, das ge­bo­ren wur­de, um zu wach­sen und zu ster­ben und da­bei Ab­bil­der sei­ner selbst in end­lo­ser Fol­ge her­vor­zu­sto­ßen. Die idio­ti­sche Wie­der­ho­lung der Bio­lo­gie konn­te kein Sym­bol für die Mensch­heit sein. Es muß­te einen Vek­tor ge­ben.
    Vie­le Stun­den lang saß er in der schat­ti­gen, kal­ten Zel­le, wäh­rend der Win­ter­re­gen auf das un­sicht­ba­re Land

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