Der Bernstein-Mensch
zurück.“
„Nein.“ Seine Stimme blieb trocken und unbewegt. „Ich komme heraus und ziehe dich selbst zurück.“
„Bradley, dein Herz.“
„Ich komme.“
„Du willst mir drohen.“
„So?“ Sie hätte schwören können, daß er eben gekichert hatte. „Aber ich bluffe nicht.“
Wenn er es doch tat – und das glaubte sie –, dann ließ er es sich nicht anmerken. „Also gut. Zum Teufel mit dir, Bradley. Ich komme.“
„Dann beeil dich.“ Keine Spur von Triumph.
„Mach ich.“ Sie sah nicht ein, wieso diese kleinkarierten Vorschriften auch für sie gelten sollten. Da sie nicht zur Orbitalbesatzung gehörte, betrachtete sie sich als frei. Bradley Reynolds? Commander oder nicht, sie war ihm keine Gefolgschaft schuldig. Hier draußen gab es nichts zu fürchten. Keine Riesenmonster kamen vorübergeschwommen, um sie zwischen ihren großen, schäumenden Kiefern zu zermalmen. Sie war zum Jupiter gekommen, um frei von dem Asyl der Erde zu leben. Was tat es, wenn sie starb? Ein Menschenleben unter vier Milliarden. Selbst unter den fünfhundert Bewohnern des Orb war ihr Leben kaum ein signifikanter Faktor.
Träge ließ sie sich treiben. Das Orb – was für ein alberner Name! Es war keine Kugel, es war eine Blechbüchse, ein faul rotierender Zylinder. Ein paar hundert Meter über ihrem Kopf hing pfannkuchenförmig der Wasservorrat, der den Hagel der Hochenergie-Protonen aus dem Van-Allen-Gürtel blockierte. Orb kam von Orbit. Eine dumme Art, einen Namen auszusuchen …
„Mara. Du schindest Zeit.“
„Nein. Ich sagte doch, ich komme.“
„Dann …“ – er war betont geduldig – „… wollen wir auch kommen.“
„Ich habe nachgedacht.“ Sie kalkulierte die Entfernung nach unten bis zu dem rotierenden Oberteil des Orb. Ihre Fähre lag in Bay Sechs, im Augenblick also genau auf der gegenüberliegenden Seite des Orb. Sie zu erreichen war fast genauso, wie ein Pferd auf einem Karussell zu fangen, nur daß sie nicht nebenherlaufen und die Geschwindigkeit ausgleichen konnte. Es war zu schwierig, nur mit Hilfe der Positionsdüsen einen Kreisbogen zu beschreiben; sie mußte geradewegs hinuntergleiten und das Orb erreichen, wenn Bay Sechs vorüberkam. Wenn sie sie verfehlte, gab es immer noch Handgriffe, an denen sie sich entlangziehen konnte. Mit einigem Genuß maß sie Zeiten und Entfernungen; es war eine interessante Kalkulation – es machte Spaß. Besser als Squash bei null g.
„Stellt mein Abendessen warm“, befahl sie Bradley. „Euer verirrtes kleines Mädchen kommt nach Hause.“
Mit einem kurzen Stoß aus den Düsen schwebte sie auf die graue Metalloberseite des Orb zu. Bay Sechs kam heran, und als sie sicher war, daß die Position stimmte, drehte sie sich um und stieß mit den Füßen zuerst gegen das Deck. Die Landung war nicht schlecht; sie hatte die Bay nur um ein paar Meter verfehlt. Mit den Händen übereinandergreifend, zog sie sich an den Rand der Bay und warf einen Blick hinunter auf das Shuttle, das sicher verankert in seiner Nische lag. Sie schwang sich über den Rand und sah sich nach dem Anschluß des Luftschlauches um. Die Luft in ihrem Anzug war in Ordnung; sie besaß einen metallischen Ölgeschmack, der im Hals kratzte. Sie entdeckte den Schlauch auf der anderen Seite der Bay und sprang geschickt hinüber.
Das Manövrieren in der Schwerelosigkeit machte Spaß. Es war eine Herausforderung, mit Augen, die normalerweise parallel zum Erdboden blickten, drei Dimensionen abzuschätzen. Man mußte sich ständig daran erinnern, daß Oben und Unten ebenso wichtig waren wie die Horizontale. Es war eine größere Welt hier, und in gewisser Weise eine realere.
Sie packte den Schlauch und stellte die Verbindung zur Schiffsluft her. Aber noch war sie nicht
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