Der Bernstein-Mensch
Pfannkuchen und Orb hinaus. Einen Augenblick später waren sie draußen, und gerade rechtzeitig erinnerte sie sich daran, die supraleitfähigen Magneten einzuschalten. Sie überprüfte die Stromversorgung in allen drei Magnetkreisen. Als sie einen Blick nach rechts warf, sah sie die silbrige Sichel von Callisto in der Ferne. Die Blechbüchse bewegte sich in ihrem Orbit in konstanter Entfernung hinter dem großen Mond, der die Hochenergie-Partikel aus dem Van-Allen-Gürtel weitgehend abfing. Im Kielwasser von Callisto mußte das Orb immer noch an allen Seiten mit meterdicken Wasserschichten abgeschirmt werden.
„Over an Flugüberwachung“, sagte Tsubata. Mara drückte eine Taste auf der Armaturentafel vor ihr. Murmelnd drehte sich das Shuttle unter ihnen. Eine unsichtbare Hand kippte ihre Achse und neigte sie aus der Orbitalebene des Orb. Summend schaltete sich der Ionenantrieb ein. Ein leichter Niederimpuls-Schub.
„Satellit 106 liegt ziemlich weit nach Norden“, sagte Tsubata. „Ich habe einen schnellen elliptischen Orbit programmiert. Rendezvous in fünf Stunden.“
„Was stimmt denn nicht? Mit S-106, meine ich? Ich habe diesen Stapel von Handbüchern über Satellitenwartung nicht mehr ganz durcharbeiten können.“
„Ein paar der Komponenten haben die betriebsfähige Spannungsgrenze unterschritten. Die Meßwerte des Faradaykäfigs sind ebenfalls nicht zufriedenstellend.“
Das Shuttle trieb dahin, und Mara entspannte sich. „Das ist kein Wunder. Nicht bei der Strahlungsintensität, die in der letzten Zeit geherrscht hat.“
„Der Faradaykäfig sollte die Hochdosierung aushalten können. Hat er aber nicht.“
Mara sah sich nach dem zusammenschrumpfenden Orb um. Es war nur noch eine glitzernde Lichtfacette. In einer Beobachtungskuppel brach sich das rötlich-gelbe Glühen des Jupiter und wurde zu einem kurz aufblitzenden Strahl gebündelt.
„Was tun Sie hier draußen während dieser langen Flüge?“ fragte Mara, sich wieder zurückwendend.
„Schlafen, meistens. Den Strahlungsmesser im Auge behalten.“
Und so wenig wie möglich reden, dachte Mara. Einen Moment lang erwog sie, eine Unterhaltung zu erzwingen, indem sie ihn mit intimen Details aus ihrem faszinierenden Leben bombardierte. Sie fühlte sich von dem seltsamen Bedürfnis ergriffen, diesen schweigsamen Mann aufzubrechen. Aber die Weite des Weltraums erstickte dieses Verlangen. Hier draußen wirkten bloße Worte unbedeutend, irgendwie sinnlos.
„Was denken Sie über die Stürme?“ Sie zwang sich zu reden, etwas zu sagen, ein menschliches Grunzen gegen die bedrückende Finsternis zu schleudern. Sie wies nach unten, wo ein dunkles Band wirbelnd in leuchtend orangefarbene Strudel zerriß. Zum Nordpol hin wurde dieses Muster immer turbulenter. Winzige Wirbel wogten hier peitschend gegen die Ränder des Bandes.
„In der Astrophysik glaubt man, daß eine Menge elektromagnetischer Energie frei wird, weil im Kern des Jupiter irgend etwas vor sich geht. Das ist aber nur eine Theorie. Die planetaren Magnetfelder sind ein wenig in Bewegung.“
„Eine Verschiebung der Felder, große Mengen von Hochenergie-Partikeln – interessant.“
„Man hat auch ein Anwachsen des Radiorauschens verzeichnet.“ Es war das erste Mal, daß Mara eine Spur von echtem Interesse in Tsubatas Stimme entdeckte. Er war süchtig nach seiner Arbeit, aber daneben gab es für ihn sehr wenig. Hier draußen lächelte er glücklich, zufrieden und ruhevoll. „Wir haben Zeit.“ Er fischte in seiner Mappe herum und reichte ihr ein Clipboard mit einem Wirrwarr von Schaltkreisdiagrammen. „Das ist S-106.“
Im wesentlichen konnte
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