Der Bernsteinring: Roman
Herz...‹ »Anna, hast du ein sündhaftes Verhältnis mit ihm?«
»Nein Ehrwürdige Mutter.«
»Warum hast du der Sext, der Stunde des Opfers, den Jupiter mit seinem Gesicht zugeordnet, meine Tochter?«
Anna schwieg.
»Was verbindet dich mit ihm. Sag es mir!«
Anna drehte den Kopf zur Seite, um dem eindringlichen Blick der Äbtissin zu entgehen. Zu viel las die alte Frau in ihren Bildern.
»Anna?«
»Es ist uns kein gemeinsames Schicksal bestimmt. Die Sterne sagen es«, flüsterte sie so leise, dass es kaum zu hören war.
»Heilige Maria, barmherzige Mutter«, flüsterte Ida- Sophia genauso leise. Dann saßen sie beide eine Weile in ihre eigenen Gedanken versunken nebeneinander, während die Kerzen still herunterbrannten. Schließlich sagte die Äbtissin: »Du wirst uns verlassen, nicht wahr?«
Anna nickte stumm.
»Vermutlich ist es besser für dich. Ich werde für dich beten. Und nun geh zu Bett, und sorge dich nicht weiter. Das Mädchen wird schon wieder auftauchen.«
»Ja, Ehrwürdige Mutter.« Anna erhob sich und half der Äbtissin, aufzustehen. »Ich räume noch die Blätter fort. Dann gehe ich in meine Kammer.«
»Gut, meine Tochter. Schlaf geschützt unter Mariens Mantel.«
Anna hatte gerade die Stifte in ihre Kästen gelegt, als noch einmal die Tür geöffnet wurde. Die Pförtnerin schob eine zerzauste und bedrückt aussehende Valeska in den Raum.
»Die hat eben noch an die Pforte geklopft. Wenn ich nicht gewusst hätte, Ihr wartet auf sie, hätte ich sie vor der Tür stehen lassen!«
»Valeska!«, fuhr Anna das Mädchen an und zerrte sie am Arm herein. »Wo bist du, in Gottes Namen, gewesen?«
Sie versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
»Ich... entschuldigt, Frau Anna. Bitte...!«
Anna schüttelte sie derb durch und fuhr sie an: »Herumtreiberin!«
»Nein, Herrin... Ich, ich war bei den Gauklern. Sie haben mir zu essen gegeben, und es gab einen Affen und... und der Sänger hat mich hierher zurückgebracht.«
»Wir unterhalten uns morgen weiter darüber!«, meinte Anna, deren Wut, geboren aus Sorge und Angst, inzwischen verraucht war. »Ich bin jetzt müde!«
Valeska erwartete am nächsten Vormittag eine gewaltige Strafpredigt, aber auf weitere Bestrafung verzichtete Anna, zu zerknirscht war das Mädchen. Nichtsdestotrotz wiederholte sie ihren Ungehorsam am selben Abend. Wieder musste Anna feststellen, dass zur Complet ihre Magd nicht in das Stift zurückgekommen war.
Anna war zunächst ungehalten, doch je weiter der Abend voranschritt, desto besorgter wurde sie. Valeska neigte eigentlich nicht zur Aufsässigkeit, und so fragte sie sich allmählich, ob ihre strengen Worte das Mädchen so tief gekränkt hatten, dass sie sich nicht mehr zurücktraute.
27. Kapitel
In der Hinterstube
Der rote Krug stand auf dem Tisch vor ihm. Das Zeichen. Er leerte ihn langsam und nickte der Schenkenwirtin unmerklich zu. Wenn die Gäste gegangen sein würden, wollte er sich an der Hinterpforte einfinden. Mit leichtem Bedauern dachte er daran, nun nicht zu seinem Stelldichein gehen zu können. Aber da würde es sicher neue Möglichkeiten geben. Das Weib war ihm mehr als zugetan.
Es dauerte beinahe bis Mitternacht, dann aber wurde ihm schließlich aufgetan.
»Ihr habt das Heilmittel?«
»Ich habe den einen Teil, den anderen müsst Ihr besorgen. Aber erst das Gold, mein Herr!«
Münzen klimperten, und misstrauisch zählte die Wirtin sie nach.
Es war leichter gewesen, als sie gedacht hatte, der Magd habhaft zu werden. Das Vögelchen war ihr sozusagen von selbst ins Nest geflattert.
»Schön. Das Mädchen ist in der Hinterkammer. Ich habe ihr einen starken Schlaftrunk gegeben, sie wird also nicht herumkreischen. Das kann ich mir nicht leisten, hört Ihr!«
»Seid Ihr sicher, dass sie eine Jungfrau ist?«
»Ziemlich sicher. Sie ist Magd bei den Stiftsdamen, da ist sie streng behütet. Aber Ihr werdet es ja selbst herausfinden. Wenn sie es nicht ist, na gut, dann muss ich eben noch eine suchen. Ihr braucht nicht zweimal zu bezahlen.«
Er nickte.
»Gut, Herr, und wenn Ihr fertig seid, gebe ich Euch den Heiltrank, den ich gebraut habe, und das Amulett, das Euch helfen wird. Aber Ihr müsst das Mädchen anschließend fortschaffen. Ich will nicht, dass sie hier aufwacht und schreit, sie sei geschändet worden!«
»Wohin soll ich sie bringen?«
»Zu den Gauklern im Ipperwald. Mit ihnen hat sie sich angefreundet. Sie wird denken, die hätten ihren Spaß mit ihr gehabt. Und wenn sie da Krakeel macht
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