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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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und Armer Nutz und Ehr,
    was mich gut dünkt, tät ich gern mehr.«
    »Bitte, können wir jetzt gehen?«
    »Ja, Valeska, ja. Elfrieda, das Mädchen fürchtet den Tod. Kommt, wir versuchen, uns da vorne durchzudrängen.«
    »Ja, aber nehmt besser Ihr die Tasche, die sie trägt, Frau Anna. Hier laufen Langfinger herum.«
    Ein wenig half ihnen ihre schwarze Kanonissentracht, um sich den Weg zu bahnen, aber gerade als sie an dem Podium vorbeikamen, beugte sich der Tod hinunter und griff nach Valeska. Er legte ihr den Zeigefinger unter das Kinn und sah ihr tief in die Augen. Sie schrie auf, und die Umstehenden johlten.
    »Ach Jungfrau, Euer roter Mund
    Wird bleich jetzund zu dieser Stund.
    Ihr springtet gern mit jungen Knaben
    Mit mir nun müsst Ihr Vortanz haben.«
    »Lasst Sie, Gevatter Tod. Sie ist jung und hat noch ein langes Leben vor sich.«
    »Glaubt Ihr, Stiftsdame? Dann behütet sie gut!«
    Elfrieda war es gelungen, die zitternde Valeska hinter sich zu ziehen, und Anna folgte ihnen durch das Gedränge zum Rathaus.
    Sie hatte ein paar Abschriften von Urkunden und Schreinsakten zu machen, und als sie fertig waren, hatte sich der Marktplatz vor dem Rathaus weitgehend geleert. Anna hatte es nicht eilig, wieder in das Stift zurückzukehren, und auch Elfrieda genoss die unerwartete Freizeit. Sie schlenderten an den Buden vorbei und betrachteten das Angebot.
    »Kommt, wir kaufen uns ein Mandelbrot!«, schlug Anna vor, und Valeskas Augen strahlten. Sie hatte mit ihrem heiteren Gemüt schon fast vergessen, wie sehr sie sich noch vor geraumer Zeit entsetzt hatte. Süßigkeiten konnten sie immer trösten. Auch die Spezereien-Händler, der Honigmann mit seinen goldenen Waben und die Frau, die bunte Bänder verkaufte, fesselten sie und lenkten ihre Aufmerksamkeit von dem jetzt leeren Podium ab. Die Spielleute aber hatten sich umgezogen. Derjenige, der die männlichen Tanzpartner gespielt hatte, war ein untersetzter Graubart in dunklen Kleidern, der einen Kasten mit verschiedenen Tiegeln und Fläschchen öffnete, von denen er behauptete, sie enthielten wirkungsvolle Allheilmittel. Die Frau hatte die grelle Schminke der Tanzpartnerinnen ebenfalls abgewaschen und bot jetzt in einem sternenbestickten Umhang den Vorübergehenden an, ihnen aus der Hand zu lesen. Auchder Tod hatte seine bleiche Maskerade abgelegt. Er trug nun ein grünes Wams und rote Hosen. Sein Haar war braun und fiel in weichen Locken auf seine Schultern. Mit einer Laute in der Hand setzte er sich gemütlich auf den Rand des Podestes und spielte eine gefällige kleine Melodie. Nach und nach blieben die Passanten wieder stehen und lauschten.
    »Valeska, schau, er ist ein hübscher junger Mann, der vorhin den Tod gespielt hat. Wollen wir seinen Liedern lauschen?«
    Elfrieda liebte die Musik, sie war eine der Vorzugsschülerinnen der Singmeisterin. Aber auch Anna wollte hören, was der begabte Sänger jetzt zu bieten hatte. Als sie näher kamen, erkannte sie die Melodie eines alten Liebesliedes.
     
    »Ich kam gegangen zu der Aue,
    da was mein Friedel kommen eh;
    Ich ward empfangen, here Fraue,
    dass ich bin selig immer meh.
    Er küsste mich wohl tausend Stund,
    Tanderadei, seht wie rot ist mir der Mund!«
     
    Er hatte eine wunderbare Stimme, tragend und weich, und die Umstehenden summten leise das Lied mit. Valeska drängelte sich wieder vor, und als der Sänger geendet hatte und sein Barett herumreichte, da legte sie ihre sorgsam gesparten Pfennige hinein. Der Sackpfeifer und der Trommler kamen ebenfalls zurück, sie hatten ihre Kehlen mit Bier gekühlt, und der Trommler entlockte seinem Instrument einen fröhlichen Wirbel.
    »Hört, verehrte Herren, edle Damen. Hört unseren Sänger Julius Cullmann, der nicht nur als Gevatter Tod die Lebenden erfreut, sondern auch mit seinen Sängen und Balladen die Herzen rührt. Er singt Euch von Treueund Opfer, von Trauer und Stolz, von Ruhm und Demut, von Wunden und Heilung. Er beschwört für Euch die hohen Tugenden, den großen Mut und die Tapferkeit, die Gottesfurcht und reine Keuschheit. Doch weiß er ebenso von Verrat und Niedertracht zu singen, von hinterhältiger Bosheit, Habgier und Dummheit. Vor allem aber lauscht und lasst Eure Herzen anrühren, wenn er das Lied anstimmt, das von einer unendlichen Liebe handelte, die über alle Zeiten und Welten bestehen bleibt.«
    »Julius!«, flüsterte Anna. Sie dachte an Rosa, die ihr einst von diesem Mann erzählt hatte, den geliebten Freund ihrer Jugend. Ob sie es wohl

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