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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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seiner Besucherin entgegengehen. Doch er blieb stehen, sah mich an.
    »Anahita?«
    Er war es wirklich. Lockige, schwarze Haare, ein kurz geschnittener Bart, beides von Grau durchzogen. Grauer Rollkragenpullover, schwarze Hose – Schaube und Barett hätten ihm auch gestanden.
    »Valerius?«
    Meine Stimme gehorchte mir jetzt überhaupt nicht mehr.
    Er kam um den Schreibtisch auf mich zu.
    »Ana!«
    Ich fasste nach dem Türrahmen, um Halt zu finden. »Ich habe damals deine Karte verloren. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um dich wieder zu finden.«
    Er hob die Hand und fuhr ganz langsam über meine Wange.
    »Ana...«
    Mit seinen Fingern berührte er sehr zärtlich die Narbe, die quer über mein Gesicht lief. Dann strich er mit dem Daumen über meine Lippen.
    »Val!«
    Ich lag plötzlich in seinen Armen. Sein Kuss war sanft, wurde härter, forderte, verlangte bedingungslose Hingabe. Ich schenkte sie ihm.
    Dann ließ er mich los, und wir beide rangen nach Atem.
    »So geht das nicht!«, sagte er und ließ mich los. Er nahm seine Jacke, warf sie sich über die Schulter, griff nach dem Schlüsselbund auf dem Schreibtisch und legte mir wieder den Arm um die Taille. »Komm.«
    Er führte mich durch das Vorzimmer, wandte sich seiner Sekretärin kurz zu und meinte: »Ich bin für niemanden zu sprechen, Cosy. Ich melde mich.«
    »Ist in Ordnung, Val.«
    Wir verließen schweigend das Gebäude, Val öffnete mir die Tür zu seinem Wagen. Wenige Minuten später erreichten wir das Haus in Marienburg.
    »Hier? Ich habe alle Straßen abgesucht. Ich konnte mich nicht erinnern.«
    »Darum halten wir jetzt davor und nicht in der Tiefgarage.«
    Er ging voran zum Aufzug und sagte noch einmal: »Das Penthouse!« Dann öffnete er mir die Tür. Ich ging quer durch den Raum und blieb an dem Schrank stehen. Er war genau wie ich ihn Marc geschildert hatte. Die Aussicht stimmte, wenn auch die Bäume nun nicht mehr kahl waren, sondern erste, frühlingsgrüne Blattknospen zeigten. Mit der Hand strich ich über das sorgsam polierte Holz des Möbelstücks.
    »Was ist passiert?«
    »Die Visitenkarte. Ich verlor sie, als ich zu Hause aus dem Auto stieg. Ich wusste nur noch deinen Vornamen, Valerius.«
    »Und ich nur den deinen, Anahita.«
    Wir hielten vorsichtig Abstand voneinander. »Wie...?«
    »Ein Freund. Er kam auf die Idee, du könntest etwas mit alten Möbeln zu tun haben, als ich ihm von der Einrichtung erzählte. Er ist gut im Recherchieren.«
    »Der Fotograf?«
    »Ja, Marc.«
    »Ein kluger Kopf, dein Freund.«
    »Ein guter Kamerad. Er hat mir schon einmal das Leben gerettet. Letztes Jahr.«
    »Schon einmal?«
    »Das Flugzeug.«
    Ich deutete auf die Narbe.
    »Und das zweite Mal?«
    Ich lächelte.
    »Anita?«
    »Valerius, ich bin nicht die Schlampe, für die du mich halten musst. Ich habe dich ehrlich gesucht. Es... war keine schöne Zeit. Und ich habe ein paar sehr verrückte Dinge deswegen getan.«
    »Ich habe dich nie für eine Schlampe gehalten. Ich habe nur gedacht... Ich dachte, es bedeutet dir nichts weiter.«
    »Also doch Schlampe.«
    »Nein. Aber du bist so völlig vom Erdboden verschwunden gewesen. Ich habe nämlich auch versucht, dich zu finden.«
    »Gut im Spuren verwischen, ich weiß. Darum haben wir ja meine ehernen Prinzipien umgestoßen.« »Welche da sind?«
    »Hast du die Zeitung vom Samstag noch?« »Irgendwo, ja. Warum?«
    »Du hast den Lokalteil offensichtlich nicht gelesen.« »Wahrscheinlich nicht. Ich hatte wenig Zeit am Wochenende. Warum?«
    »Du hättest ein Bild von meiner Schwester und mir gefunden. Ich lasse mich normalerweise nicht fotografieren. Aber ich dachte, vielleicht erkennst du mich wieder.«
    »Das hätte ich auf alle Fälle.« Er kam einen Schrittnäher. »Ein Gesicht wie das deine vergisst man nicht.« Und wieder hob er die Hand, doch diesmal, um mein Kinn ein wenig anzuheben. »Nicht wegen der Narbe, Ana. Deswegen nicht.« Er sah mich an, intensiv und eindringlich. »Es hat mich in meinen Träumen verfolgt«, sagte er leise.
    Ich schloss die Augen. Ja, in den Träumen waren wir manchmal zusammen gewesen.
    Und dann fühlte ich, wie er die Spange aus meinen Haaren löste. Sie fielen offen nach unten, und seine Hand vergrub sich darin.
    »Ana!«
    Es blieb kein Abstand mehr. Und die körperliche Nähe überwältigte uns beide. Ich bot ihm meine Lippen, und er nahm sie sich, hungrig und begierlich.
    »Es scheint uns etwas wahrhaft Archaisches zu verbinden, mein Herz. Ich kann mich offensichtlich nicht mehr

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