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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Kissen haben wir im Schnelldurchlauf erledigt.«
    Marvel nahm das mit dem Schnelldurchlauf nicht zur Kenntnis. »Ist er von ihr?«
    »Ja. Sieht aus, als hätten Sie Ihren Mord.«
    »Prima«, stellte Marvel ohne jeglichen Takt fest. »Fingerabdrücke?«
    »Keine Fingerabdrücke, keine Fußspuren.«
    »Scheiße«, knurrte Marvel. »Sperma?«
    »Nein. Kein Blut, kein Sperma. Aber Urin.«
    »Sie hatte einen Urinbeutel. Das Ding ist geplatzt.«
    »Oje«, bemerkte Reeves.
    Inzwischen ärgerte sich Marvel von Neuem, diesmal darüber, dass er sich einen der wenigen Menschen zum Anbrüllen ausgesucht hatte, den er nicht einschüchtern konnte. Reeves war dermaßen entspannt, den brachte nichts aus der
Ruhe. Nicht zum ersten Mal machte Marvel sich Gedanken über die Zusammensetzung der Zigaretten, an denen er Reeves hin und wieder ziehen hörte. Er wünschte, er hätte stattdessen Reynolds herbeizitiert und irgendetwas völlig Abwegiges verlangt. Hätte zusehen können, wie sein Kopf ganz fleckig wurde. Er sagte Reeves, er solle ihn auf dem Laufenden halten, wenn sie Resultate von den Haaren und Fasern hätten, und legte auf, solange er noch eine ausreichende Grollreserve hatte.
    Dann schritt er über den nassen Beton des Innenhofs und klopfte fordernd an Joy Springers Tür. Obwohl es erst sieben Uhr früh und noch dunkel war, war die alte Frau bereits angezogen; eine selbstgedrehte Zigarette klemmte in ihrem verkniffenen Mund.
    Ein weiterer Rückschlag bei seinem Streben, die Oberhand zu gewinnen.
    »Es gibt kein heißes Wasser«, verkündete er schroff.
    »Na, kalt ist es aber auch nicht, oder?«, fauchte sie zurück.
    Damit erwischte sie Marvel auf dem falschen Fuß. »Es ist lauwarm«, entgegnete er schwach.
    »Lauwarm ist nicht kalt. Haben Sie’s laufen lassen?«
    »Nein«, gab er mürrisch zu.
    »Sie müssen das Warme doch erst durchkommen lassen. Besonders wenn’s friert.«
    Marvel spähte an ihr vorbei und sah die Flasche auf dem Küchentisch. Sah nach Frühstück aus.
    Joy Springer bemerkte seinen Blick und schob sich vorwärts, um ihn zurückzudrängen. Sie hielt ihre dicke alte Wolljacke mit den Lederknebeln an ihrem faltigen Hals zusammen und zeigte mit der verkrümmten Hand auf die offene Tür. »Und jetzt lassen Sie mir hier die ganze Wärme raus.«
    Marvel trat unwirsch den Rückzug an, kehrte in seine Unterkunft zurück und wünschte sich, er könne den Morgen noch einmal von vorn beginnen. Er ließ das Wasser laufen, und schließlich kam tatsächlich heißes, aber nur, wenn er den
Wasserhahn so weit zudrehte, dass nur ein dünnes Rinnsal herausrieselte. Schließlich schaltete er den dürftigen Wasserkocher ein und rasierte sich mit dem, was der hergab.
    Eine halbe Stunde früher als verabredet klopfte er laut an Reynolds’ Tür, doch sein DS war startbereit.
    »Ich nehme Priddy fest«, verkündete Marvel anstelle eines »Guten Morgen«.
    Reynolds war klug genug, nicht offen zu widersprechen. »Okay«, antwortete er neutral, während sie zum Auto gingen.
    »Wenn es ein verunglückter Einbruch war, dann hat der Mörder die zeitlichen Abläufe der Schwestern gekannt und hat gewusst, wonach er suchen musste. In diesem Fall muss es eine von den Schwestern oder ein Freund der Familie gewesen sein. Wenn’s ein Mord war, dann ist es was Persönliches. Dito.«
    Marvel warf Reynolds einen finsteren Blick zu; sollte er es nur wagen, Einspruch zu erheben. Als der DS nichts dergleichen tat, verlor seine Theorie einiges an Charme, und er ließ gereizt die Kupplung springen.
    »Wir können ja auf jeden Fall eine DNS-Probe von ihm verlangen, wenn die Resultate für die Haare und die Fasern da sind«, meinte Reynolds mit einem freundlichen Achselzucken. »Und es dann bestätigen.«
    Marvel umklammerte das Lenkrad fester. Man konnte sich darauf verlassen, dass Reynolds einem mit seiner sklavischen Hingabe an die Feinheiten des Beweisverfahrens alles versaute. Niemand folgte mehr seiner Intuition.
     
    Marvel konnte ihn mal kreuzweise.
    Das war der Gedanke, der Jonas Holly unablässig durch den Kopf ging. Das hier war sein Revier, es waren seine Nachbarn, und für Margaret Priddy war er verantwortlich gewesen.
    Und wenn Marvel ihn nicht ins Team ließ, dann würde er eben im Alleingang weitermachen. Er hatte seine tägliche Arbeit, und niemand  – weder Marvel noch sonst irgendjemand  –
konnte ihn davon abhalten, ein paar Fragen zu stellen, die Augen offen zu halten und auf das zu reagieren, was er sah oder hörte.

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