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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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in einem so kleinen Dorf wie Shipcott nur schwer zu haben, und er pflegte sie zu respektieren, wo er nur konnte. Niemand war gern eine Petze.
     
    Yvonne Marsh hockte tatsächlich im Schlüpfer auf der Schaukel. Ungeachtet des hart gefrorenen Bodens, des stumpfbraunen Himmels und der glotzenden Bengel auf der nahe gelegenen Skateboard-Rampe saß sie in einem vergrauten BH und halbwegs dazu passendem Schlüpfer schlaff und zusammengesunken da.
    Nicht zum ersten Mal.
    Jonas holte eine kratzige graue Decke aus dem Land Rover und ging auf die Mutter seines Schulfreundes von früher zu. Als er näher kam, konnte er bleiche, von der Kälte blau marmorierte Gänsehaut erkennen.
    »Sie sitzt schon seit ’ner halben Stunde da!«, rief einer der Skater ihm zu. Er schaute zu den Jungen hinüber, konnte aber nicht ausmachen, wer es gewesen war, also hob er lediglich in einer vagen Geste die Hand. Die Jungen  – es waren vier  – standen oben an der Rampe aufgereiht, die Hände in die Achselhöhlen und Hosentaschen gebohrt, die Skateboards mit lässiger Überlegenheit unter einem Fuß, wie erlegte Löwen der Kolonialzeit.
    »Hallo, Mrs. Marsh«, sagte Jonas munter. »Bisschen kalt zum Schaukeln, nicht?«

    Ihr in die Ferne gerichteter Blick heftete sich auf ihn, ohne ihn wirklich zu erfassen. Sie erkannte ihn nicht, und Jonas war dankbar dafür. Er dachte an den Tag, als er und Danny aus dem Badezimmerfenster gesprungen waren, Mrs. Marshs brandneue Bettlaken aus ägyptischer Baumwolle als Fallschirme in den Fäusten. Noch immer konnte er fühlen, wie der Garten gegen seine Füße krachte  – der Stoß ruckte bis in seine Achselhöhlen hinauf  –, und konnte Danny im Blumenbeet heulen hören.
    Er konzentrierte sich auf die Gegenwart.
    So, wie sie dasaß, lagen ihre Brüste fast auf den Oberschenkeln. Dazwischen wölbten sich drei deutlich sichtbare kalte, blasse Fettrollen.
    »Möchten Sie eine Decke?« Jonas trat vor, und als sie keinen Einspruch erhob, legte er ihr die Decke um die Schultern und zog sie am Hals zusammen. »Hier, halten Sie das mal für mich, Mrs. Marsh«, wies er sie an, während er ihre linke Hand von der Kette löste und zu der Decke hinlotste. Noch immer völlig teilnahmslos packte sie den Wollstoff, und er richtete sich auf.
    »Im Auto ist die Heizung an. Und eine Thermosflasche mit Tee habe ich auch. Möchten Sie vielleicht mal da reinhüpfen und sich ein bisschen aufwärmen?«
    »Na schön«, sagte sie. »Aber ich hab meine Sandalen im See verloren.«
    »Kein Problem, Mrs. Marsh. Ich sage einem von meinen Jungs, dass er sie suchen soll.«
    Es gab keinen See. Er hatte keine Jungs.
    Sie taumelte, als sie sich von der Schaukel erhob. Jonas stützte sie mit einem Arm um das, was früher einmal ihre Taille gewesen war, und half ihr in den Wagen. Ganz langsam, wegen ihrer nackten Füße auf dem frostkalten Boden und dann auf dem rauen Asphalt.
    Behutsam bugsierte er Mrs. Marsh auf den Beifahrersitz und griff dann hinüber, um sie anzuschnallen. Dabei roch er
ihren ungewaschenen Körper und dachte unwillkürlich an eine andere Mrs. Marsh, die sich in ihrem winzigen Garten sonnte. Die glatte, gebräunte Haut, der Kokosnussgeruch von Sonnenmilch, der verstohlene schnelle Blick auf die Wölbung ihrer vollen Brüste, und wie sie von dem knappen türkisfarbenen Oberteil ihres Bikinis eingefangen wurden …
    »Ich erinnere mich an dich, Jonas Holly«, sagte sie plötzlich mit schelmischer Singsangstimme, bei der er rot anlief, als wären sie wieder in jenem Sommergarten und es wäre die Mrs. Marsh von damals, die den Jungen, der längst keiner mehr war, dabei erwischt hatte, wie er sie anstarrte.
    Er schwieg und wünschte sich mit aller Kraft, dass sie den Mund halten möge.
    »Du hast Danny Kaugummi ins Haar geschmiert!«, neckte sie und klimperte mit den Wimpern. »Und meine besten Laken, völlig verdreckt, damals, als er in die Rosen gefallen ist.«
    Jonas hoffte, dass dies nicht der Beginn eines plötzlichen Erinnerungsschauers nach einer langen Dürre war.
    Doch sie lachte nur abermals und seufzte. »Ihr Jungs!«
    Er bedachte sie mit einem reumütigen Lächeln und schloss die Wagentür. Als er um den Land Rover herumgegangen war und die Fahrertür öffnete, hatte sie vergessen, wer er war.
     
    Danny Marsh öffnete auf sein Klopfen hin, und Jonas sah, wie sein Gesichtsausdruck blitzschnell von Verblüffung in Wachsamkeit und dann in Betroffenheit umschlug, als ihm klar wurde, dass Jonas seine fast

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