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Der Beschützer

Der Beschützer

Titel: Der Beschützer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Graf
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sollte mir mehr Zeit für sie nehmen.« Ein guter Vorsatz, den sie auch an Bord von anderen Schiffen gefaßt hatte. »Es ist eine ausgezeichnete Crew«, sagte sie fest. »Ich muß dafür sorgen, daß sie heimkehren kann.«

»Es nützt der Besatzung nichts, wenn die erforderlichen Entscheidungen von einer müden Kommandantin getroffen werden«, sagte Tuvok mit der für ihn typischen Ruhe.
    Janeway lächelte schief. »Sie haben recht. Wie immer.« Sie lehnte sich zurück und seufzte. »Ich habe Ihren Rat vermißt, Tuvok.«
    Er neigte den Kopf. »Es erfüllt mich mit Zufriedenheit, daß Sie mir hierher gefolgt sind. Dadurch bin ich nun wieder imstande, Ihnen mit Ratschlägen zu helfen.«
    Das kam fast dem Eingeständnis von Gefühlen gleich. Eine Zeitlang wußte Janeway nicht, was sie sagen, wie sie darauf reagieren sollte. Sie erinnerte sich an das Zitat von einem berühmten Admiral: »Die Freundschaft mit einem Vulkanier ist wie Bildhauerei mit Radioisotopen. Nur wenige Leute versuchen so etwas, und den Betreffenden fällt es schwer zu erklären, warum der nur wenige Millisekunden währende Kontakt die Mühe eines solchen Experiments wert ist.« Wenn Janeway Tuvoks ruhiges Gesicht sah, dachte sie manchmal: Jener Admiral hätte uns warnen sollen. Mit ›uns‹ meine ich alle, die es wagen, die Freundschaft mit einem Vulkanier zu pflegen. Solche Freundschaften stellten keinen Weg dar, den man ganz bewußt wählte. Sie ›passierten‹ einfach, ohne daß Absicht dahintersteckte. Es geschah innerhalb eines
    Sekundenbruchteils, wenn man in die vulkanischen Augen blickte und dort das Licht des Verstehens sah.
    Janeway merkte, daß sie schon seit einer ganzen Weile schwieg. »Ich habe mit Ihren Eltern gesprochen, bevor wir aufbrachen.«
    Ein Mensch hätte darauf mit seiner Körpersprache reagiert, doch Tuvok sagte nur: »Geht es ihnen gut?«
    »Ja«, erwiderte Janeway. »Aber sie sind beunruhigt.«
    Der Gesichtsausdruck des Vulkaniers veränderte sich auf eine subtile Weise. Nur jemand, der die vulkanische Mimik zu deuten vermochte, konnte darin Anzeichen von Ärger, Verdruß oder Ungeduld erkennen. »Eine solche Einschätzung ist wohl kaum korrekt, Captain. Vulkanier sind nicht ›beunruhigt‹ – so etwas wäre unlogisch.«
    Ebenso unlogisch wie das Gefühl der Dankbarkeit. »Ihre Eltern vermissen Sie«, sagte Janeway.
    Gegen diese Formulierung erhob Tuvok keine Einwände. Für einen Sekundenbruchteil glaubte sie, in den Augen des Vulkaniers so etwas wie liebevolle Melancholie zu erkennen.
    »Ich vermisse sie ebenfalls«, entgegnete er.
    »Ich bringe Sie zu ihnen zurück«, entfuhr es Janeway. Die Worte waren so unerwartet und ehrlich wie die vulkanische Freundschaft. Sie schienen Substanz zu gewinnen und Wurzeln zu schlagen. »Das verspreche ich Ihnen, Tuvok.«
    Er nahm es so stoisch hin wie irgendeine Wahrheit.
    Janeway lächelte, als ihr der Vulkanier einen wortlosen Gruß zunickte und dann den Bereitschaftsraum verließ.
    Wenn sie nur in der Lage gewesen wäre, an ihre eigenen Worte zu glaubenc
    11
    Fünf Stunden später zweifelte Janeway noch immer, und die Müdigkeit lastete schwerer auf ihr.
    Ich hätte mich in mein Quartier zurückziehen sollen. Selbst eine einfache Koje bot mehr Bequemlichkeit als die Couch in diesem Raum – offenbar diente sie nur dazu, die Einrichtung zu vervollständigen. Andererseitsc In der Kabine gab es Dinge, deren Präsenz weitere Belastungen schuf: die noch nicht ausgepackten Reisetaschen; zivile Kleidung, die sie mitgenommen hatte, um an den Herbst daheim erinnert zu werden; Bilder von Mark und Bear. Das Gefühl der Schuld, so wußte sie, konnte nicht nur motivieren, sondern auch auszehren, denn es nährte sich von gestohlener Energie.
    Vielleicht hatte sie deshalb beschlossen, im Bereitschaftsraum zu bleiben, die Monitore und das Licht auszuschalten, sich auf der Couch auszustrecken – weil sie aus irgendeinem Grund glaubte, die Rückkehr in ihr Quartier käme einer Art von Kapitulation gleich. Sie wollte sich keinen Erinnerungen hingeben, sondern an der Entschlossenheit festhalten, ihren Pflichten als Kommandantin der Voyager zu genügen und die Crew in die Heimat zurückzubringen.
    Deshalb legte sie sich auf die Couch, als ein Zeichen für ihre Entschlossenheit – und um jederzeit einsatzbereit zu sein.
    Doch sie fand keine Ruhe. Im Verlauf von fünf Stunden zählte sie immer wieder die Schweißnähte in der Decke des Bereitschaftsraums – insgesamt sieben – und fand heraus,

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